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The Witcher 3: Wild Hunt im Test – Ist es das gelungene Rollenspiel-Fest?

Man könnte behaupten, einen kompakten, aber detaillierten Test zu The Witcher 3: Wild Hunt zu schreiben, gleicht der Quadratur des Kreises – doch wir haben uns genau dieser Aufgabe gestellt. Nach zwei nicht ganz fehlerfreien Teilen soll die The Witcher-Reihe mit dem dritten Ableger nun den großen Coup landen. Was wurde im Vorfeld bereits alles verraten, was uns auf The Witcher 3: Wild Hunt heiß machen sollte: Dynamisches Wetter, nachwachsende Haare, mitreißende Quests und eine Spielwelt, die einfach nur danach schreit, erkundet zu werden. Nach mehreren Jahren Entwicklungszeit hat CD Projekt RED nun endlich seinen Rollenspielriesen in die große, weite Welt entlassen und wir klären euch auf, ob The Witcher 3: Wild Hunt der angekündigte Rollenspielorgasmus ist.

Ich mag die Spielwelt von The Witcher, ich mag Geralt von Riva als Spielfigur und ich schätze die Arbeit von CD Projekt RED sehr, doch ich muss offen zugeben: Als The Witcher 3: Wild Hunt angekündigt wurde und nach und nach mehr darüber bekannt wurde, wurde ich zunehmend skeptischer, ob das Spiel all diese Versprechungen halten kann.

Denn die Wirkung von The Witcher und The Witcher 2: Assassin of Kings beruhte ja nicht auf einer XXL-Open World-Atmosphäre und schier endlosen Quests und Erkundungsaktionen, sondern einer ganz eigenen und vor allem kleineren Atmosphäre mit wunderschön designten Settings. Ich werde immer hellhörig, wenn der Begriff “Open World” fällt, denn ein großer Spielplatz kann Fluch und Segen zugleich sein. Dragon Age: Inquisition machte meiner Meinung nach im November 2014 vor, wie man es nicht machen sollte. Doch wieso diese Angst bei The Witcher 3 schlussendlich unbegründet war, mag ich in den kommenden Zeilen erklären.

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Die wilde Jagd

Wir fühlen uns bedroht von der wilden Jagd, müssen unsere große Liebe Yennefer suchen und uns plagen Albträume und Visionen rund um unsere Ziehtochter Ciri. Fassen wir zusammen: Geralt von Riva hat es dieser Tage nicht einfach. Das etwa fasst die ersten 30 Minuten von The Witcher 3 zusammen und schnell merken wir, dass die Suche nach unserer Ziehtochter Ciri im Fokus der Geschichte steht. Diese Suche soll für uns zu einem Abenteuer werden, dass uns quer durch die gesamte Welt zieht und uns all die wundervollen Abenteuer erleben lässt, die uns in den kommenden 70-80 Stunden erwarten. Viel mehr möchte ich an dieser Stelle gar nicht über die Geschichte verraten, denn alles weitere ist es wert, vom Spieler selbst erlebt zu werden. Zudem wären es schlichtweg zu viele Geschichten, die man nun anschneiden müsste – denke man nur an das Geheimnis des blutigen Barons.

Eins sei an dieser Stelle erwähnt: Die 70-80 Stunden beziehen auf den ersten Durchgang, in dem die Hauptstory und ein großer Teil der Nebenquest vollendet sind – allerdings bei Weitem noch nicht alle Nebenmissionen. Insgesamt darf man also je nach Spielstil von rund 100-120 Stunden Spielzeit ausgehen.

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Weitaus mehr als nur Kampagne

Neben der Hauptgeschichte gibt es sehr viel zu tun – und an keiner Stelle wird es dabei langweilig. Viele Nebenquests bieten ihren ganz eigenen Handlungsstrang und tragen ihren Teil dazu bei, diese Spielwelt so lebendig und gleichzeitig gefährlich zu gestalten. Hinzu kommen die besonderen, unentdeckten Orte, auf die ihr durch Anschlagbretter in Städten und Dörfern aufmerksam gemacht werdet. Oftmals handelt es sich dabei um Banditenlager, Monsternester, Schreine, versteckte Schätze oder den Beginn weiterer Nebenquests. Sollte man allerdings mal keine Lust haben Quests und Aufträge zu erledigen oder die offenen Fragezeichen auf der Karte zu erkunden, kann man seine Zeit auch mit Boxkämpfen, Pferderennen oder dem Kartenspiel Gwint verbringen. Also unter dem Strich kann man sagen: Irgendwas zu tun findet sich immer.

Zwar hat man nach einigen Stunden die Grundmechanik der Nebenaufgaben und Monsterjagden durchschaut, doch durch das wunderschöne Design dieser Aufgaben wirkt es an keiner Stelle kopiert oder generisch. Dafür treffen wir zu häufig auf viele kleine Überraschungen beim Erledigen dieser Aufgaben, sodass es sich immer wieder neu anfühlt – und wir wissen nie, ob wir nur fünf Gegner vor Ort erledigen müssen oder nicht doch plötzlich eine Schatzsuche startet. Es ist zudem lohnend an solchen Orten seinen Hexersinn einzusetzen, eine Art Detektivsinn, um eventuelle Beute oder auslösbare Mechaniken farblich markiert zu erkennen. Positiv sei an dieser Stelle erwähnt, dass The Witcher 3 überwiegend auf simple Sammel- oder Töte-Quests verzichtet.

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Beim Hexer gibt es nicht nur den Hexer

Um Geralts Suche nach Ciri besser nachvollziehen zu können, lässt euch das Spiel immer mal wieder die Steuerung von Ciri übernehmen. Meist geschieht dies in Situationen, wenn Geralt jemanden trifft, dem Ciri begegnet ist und ihr quasi die dazu passende Rückblende spielt. Diese meist kleineren Passagen sind allerdings sehr gut gelungen und tragen wesentlich ihren Teil dazu bei die Geschichte besser nachempfinden zu können.

Allgemein muss man sagen: Gefühle kommen in The Witcher 3 nicht zu kurz. Angefangen bei den weitreichenden Möglichkeiten auf Aufgaben oder Dialoge zu reagieren, endend in den Einblicken von Geralts Seelenwelt bezogen auf Ciri. Schnell werdet ihr beim Spielen merken, es gibt kein typisches Gut-/Böse in den vielen Dialogen, denn vermeintlich positive Reaktionen können später schlimme Konsequenzen für euch haben – und umgekehrt. Da ihr die Konsequenz eurer Taten oft erst Stunden später sehen könnt, bringt es meist auch nichts vor einer Entscheidung zu speichern, da ihr ohnehin erst viel später sehen werdet, was es mit dieser Entscheidung auf sich hatte.

Einen großen Teil dieser Authentizität verdankt The Witcher 3 dabei der Synchronisation, die wirklich sehr gut gelungen ist. Ich habe beim Spielen des Öfteren zwischen Deutsch und Englisch gewechselt und würde die englische Spur einen Tick besser bewerten. Wer es aber lieber komplett auf Deutsch spielt, macht dennoch keinen Fehler damit. Die Emotionen kommen genauso gut rüber und auch der oftmals zynische Humor geht dort nicht verloren. Generell sind die Charaktere eine der großen Stärken des Spiels. Nicht selten sind mir Questgeber und NPCs in Rollenspielen schlicht egal, weil sie einfach farb- und lieblos dargestellt werden. Doch viele Charaktere erzählen hier ihre ganz eigene Geschichte. Jeder Charakter, der euch Quests gibt, hat meist eine Hintergrundgeschichte und ist eingewoben in die großen, übergeordneten Ereignisse.

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Diese Spielwelt will erkundet werden

Die Spielwelt selbst besteht aus vier großen, komplett begehbaren Gebieten. Zusammengefasst kann man sagen: Die Spielwelt ist einfach riesig. Die ersten 5-6 Stunden verbringt ihr in einer sehr dörflichen Gegend, in der ihr mit der Steuerung und dem Questsystem vertraut gemacht werdet, um hinterher in das Niemandsland Velen aufzubrechen und die Geschichte voran zu treiben. Weiter erwarten euch die riesige Stadt Novigrad und die Insel Skellige. Von typischen Wald-und-Wiesen Gegenden, über Schlachtfelder, Strände bis hin zu Sümpfen ist alles dabei, was das Rollenspielherz begehrt.

Da die Areale wirklich riesig sind, ist es nur von Vorteil, dass ihr direkt von Beginn an ein Pferd zur Verfügung habt und The Witcher 3 außerdem über ein Schnellreise System verfügt, wenn es mal schnell gehen muss. Trotz der immensen Größe der Spielwelt ist es CD Projekt RED gelungen meine größte Angst im Keim zu ersticken und zwar, dass die Spielwelt zwar riesig, aber zu leer ist. Denn genau das ist die Welt von The Witcher 3 an keiner Stelle. Vor den Toren Novigrads treffen wir auf kleine Dörfer, in denen die Menschen hungern – auch Rassismus gegenüber Magiern, Elfen oder Zwergen sind an der Tagesordnung. Nicht selten fühlen wir uns unwohl in unserer Haut, wenn wir ein Dorf durchstreichen, dessen Einwohner uns mehr als skeptisch beäugen und teilweise sogar beleidigen. Wetterwechsel, ein jederzeit stimmiger Soundtrack und ein dynamischer Tag-Nacht-Zyklus runden das Gesamtpaket dabei ab.

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Die Welt ist schön, doch wie geht es spielerisch beim Hexer zu?

Genug zur Gestaltung von The Witcher 3- Wie spielt es sich denn nun? Hier sei erwähnt: Flüssig! Kaum Ladezeiten, ruckelfreie Übergänge in andere Areale und ein dynamisches Kampfsystem sorgen dafür, dass das Spielgefühl gut von der Hand geht und nicht versteift wirkt. Das Kampfsystem findet primär im Nahkampf statt, doch seid ihr nicht nur auf eure beiden Schwerter beschränkt: Mittels Alchemie, Tränken, Bomben oder Magie habt ihr die Möglichkeit die Kämpfe unterschiedlich zu gestalten und euch auf jeden Gegnertyp einzustellen.

Mit der Magie, beziehungsweise den sogenannten Zeichen, wie zum Beispiel Aard, kann man poröse Mauern zum Einsturz bringen oder Feuer löschen, wohingegen man mit dem Zeichen Axii aufgebrachte Leute besänftigen kann. Hier sei aber Vorsicht geboten: Einige NPCs bekommen mit, dass ihr versucht sie zu beeinflussen und greifen euch eventuell daraufhin an. Insgesamt gibt es sechs dieser Zeichen, die euch dabei helfen euren Spielstil zu individualisieren. Sie hören auf die Namen Yrden, Quen, Axii, Igni, Aard und Quen.

Ein Skillsystem unterstützt euch dabei die jeweiligen Spielweisen zu vertiefen und euch auf bestimmte Vorgehensarten zu spezialisieren. Die Kampfmechanik selbst erinnert an eine Mischung aus den Batman Arkham-Ablegern und der Assassin’s Creed-Reihe. Immer wieder ist es wichtig, rechtzeitig zu parieren, zu kontern und dann zum Gegenangriff auszuholen. Kämpfen könnt ihr nicht nur vom Boden aus, sondern auch von eurem Pferd, doch die Steuerung gestaltet sich hier und da etwas hakelig. Fernab vom Kampf kann Geralt nun auch in bedingtem Maß springen, klettern, schwimmen und tauchen. Seine Armbrust kann er unter Wasser als Harpune benutzen, wenn Gegner mal wieder einen Schatz umzingeln.

Kurz erwähnen möchte ich die Einstellungsmöglichkeiten von The Witcher 3. Denn wenn man die einmal betrachtet, wird man merken: Ihr steckt quasi in einem Fantasy-Cockpit voller Einstellungen und Möglichkeiten. Ihr könnt euch euer Interface vollkommen frei einstellen und Dinge wie die Minimap oder die vorgefertigten Laufwege, die euch zum Questziel führen, ausblenden. Das heißt jegliche gestrichelte Linien, Zahlen, Karten, Hinweise zum Wetter, Distanz in Metern zum markierten Ziel oder dergleichen könnt ihr komplett ausstellen. Wer also nicht nur stupide einer gestrichelten Linie folgen mag, hat hier freie Hand.

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Es wird nicht nur gelevelt, sondern natürlich auch viel gelootet

Auf die rollenspieltypische Sammelsucht wird ebenfalls nicht verzichtet. An jeder Ecke gibt es Metalle, Felle, Kräuter, Tränke oder dergleichen zu finden, woraus ihr euch eigene Ausrüstung, eigene Sets oder Tränke und Bomben herstellen könnt. Aus diesem Grund habe ich größtenteils auf die Schnellreise verzichtet, sondern bin die Wälder und Wiesen abgelaufen um Materialien zu sammeln, um mir hinterher wertvolle Gegenstände herzustellen. Das Crafting-System ist dabei sehr zugänglich und nicht unnötig verkompliziert.

Des Weiteren verfügt ihr natürlich über eine Ausrüstung bestehend aus Brustharnisch, Handschuhe, Hose und Stiefel, die ihr alle paar Level wechseln werdet. Hierbei empfiehlt es sich die Spielwelt detailliert zu erkunden um Setpläne zu finden und die zueinander passenden Teile des Sets herzustellen. Diese Ausrüstung ist unterteilt in schwere oder leichte Ausrüstungen. Die schweren Rüstungen sind natürlich besser gepanzert, zum Leid der Ausdauer – und bei den leichten Rüstungen verhält es sich umgekehrt. Ein kleiner Tipp: Hergestellte Ausrüstungen am Besten behalten, denn später kann diese noch aufgewertet werden und ist plötzlich wieder nützlich für euch.

Zwar müsst ihr im Inventar darauf achten, dass ihr das Gewicht nicht überschreitet, doch zumeist funktioniert das ohne größere Probleme. Eure Taschen, inklusive der von eurem Pferd Plötze, reichen meist vollkommen aus. Ergänzend zu den größeren Satteltaschen könnt ihr die Ausdauer eures Pferdes mit einem neuen Sattel verbessern. Wem das Pferd in Kämpfen zu schnell ausbricht, kann der Panik mit neuen Scheuklappen Herr werden.

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Auch beim Hexer läuft nicht alles ohne Fehler

Neben all dem ganzen Lob ist The Witcher 3 dabei natürlich nicht ganz fehlerfrei. Bei dem enormen Umfang ist das aber auch nahezu unmöglich. Gerade technisch fallen im Verlauf des Spieles einige Tücken auf. Bei den Konsolenversionen ist die Bildrate nicht immer ganz stabil. Zum Test vorliegend hatten wir dabei die Xbox One-, als auch die PlayStation 4-Version. Obwohl die Xbox One-Version nicht konstant mit der Auflösung von 1080p läuft, sondern je nach Situation zwischen 900p und 1080p skaliert, ist die Bildrate hier aber immer noch stabiler als auf der PlayStation 4. Allerdings wird an dieser Stelle durch Patches bereits nachgeholfen.

Für die PC Spieler sei gesagt: Je nach Leistung des PCs, läuft auch dort The Witcher 3 durchaus stabil und sieht auf höchsten Einstellungen einfach umwerfend aus. Hier sieht man auch ganz klar den Unterschied zu den Konsolenversionen. Der Weitblick und die Vegetation sind schlicht eine ganz andere Hausnummer. Nichtsdestotrotz sieht das Spiel insgesamt auch auf den Konsolen wunderschön aus. Ansonsten treten hin und wieder vereinzelt unschöne Clipping-Fehler auf und es kann passieren, dass nach dem Laden einige Objekte und NPCs erst mit einer leichtern Verzögerung erscheinen. Auch die Kamera ist hier und da mal etwas widerspenstig und reagiert nicht so, wie wir es manchmal gerne hätten. Doch im Großen und Ganzen betrachtet stört uns das nicht, denn dafür macht es einfach an den wichtigen Stellen zu viel richtig.

Unser Fazit:
Kommen wir zu der eingangs gestellten Frage, ob The Witcher 3 der groß angekündigte Rollenspielorgasmus ist. Ich sage ganz klar: Ja! Genau das ist The Witcher 3 geworden.

The Witcher 3 vereint alles, was sich in 25 Jahren Rollenspielgeschichte angesammelt hat und kombiniert diese einzelnen Elemente zu einer Spielwelt, die mir lange im Gedächtnis bleiben wird. Nie zuvor habe ich in einem Rollenspiel eine so dynamisch gestaltete und lebendige Welt betreten dürfen, in der es derart viel zu erleben und zu sehen gibt. Natürlich ist The Witcher 3 nicht gänzlich fehlerfrei – wie auch bei diesem Umfang? – aber keine dieser kleinen Schwächen und technischen Tücken lässt das Spiel an irgendeiner Stelle unausgereift wirken.

Eine frei-erkundbare Welt, hervorragend gestaltete Quests, eine liebevolle Synchronisation, jederzeit passende Musikuntermalung und an jeder erdenklichen Ecke etwas zu erledigen: Das sind nur ein paar der vielen Pluspunkte dieses Rollenspiel-Epos. Jeder, der nur ansatzweise ein Faible für Fantasy- und Rollenspielwelten hat, sollte sich The Witcher 3 definitiv zulegen. Ein besseres Rollenspiel wird es dieses Jahr wahrscheinlich nicht mehr geben. Hut ab, CD Projekt RED.

Ein Kommentar

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    • Nun ja, es ist zwar eine Kleinigkeit, aber in anderen Spielen ist so was schon durchaus dynamischer gelungen samt 3D Modellen etc. und da hinkt es nun mal etwas und sieht aus wie vor 15 Jahren 🙂

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