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Fallout 4 im Test – Gemischte Gefühle im Ödland

Hype ist für jedes Spiel ein zweischneidiges Schwert. Einerseits darf sich jeder Entwickler bei entsprechender Vorfreude seitens der Spieler auf saftige Vorbestellungen und hohe Absatzzahlen freuen. Andererseits sind die Erwartungen hoch – und jedes gehypte Spiel kann tief fallen. Ähnliches passiert bei Fallout 4.

Da der letzte Teil der beliebten Rollenspiel-Reihe schon fünf Jahre zurückliegt sind die Erwartungen hoch. Der Score-Aggregator Metacritic zeigt: Die Meinungen zu Fallout 4 gehen auseinander. Während die Presse das Spiel für seinen Charme und Atmosphäre lobt, sind die User enttäuscht – und geben durchschnittlich nur knapp 5 von 10 Punkten. Die Kritik: Das Spiel sei zu klein, zu hässlich, nicht altersgemäß und schlicht langweilig. Was hat es damit auf sich? Wir haben uns Fallout 4 für euch angeschaut.

In Fallout 4 darf man sich auf einen frischen Einstieg freuen. Während man in den Vorgängern noch das fertig-zerbombte Wasteland vorgesetzt bekam, sind die ersten Spielminuten von Fallout 4 vor dem Nuklearkrieg angesiedelt. Man erstellt seinen Charakter im durchaus soliden Editor, wird in die heimische Familien-Idylle gesetzt und muss einen Vertreter von Vault Tec abwimmeln. Der kam aber gerade recht: In den Minuten danach fallen die Bomben. In hastiger Flucht rennt die ganze Familie – der Spieler mit Frau und Säugling – zur nahegelegenen Vault 111. Zum Glück haben wir uns für das Programm eingetragen. Alle anderen ziehen nämlich den Kürzeren und sind den Bomben schutzlos ausgeliefert. In der Vault werden wir anschließend schockgefrostet und wachen 200 Jahre später auf. Zeit, unsere restliche Familie zu suchen.

Dabei entfernt sich Bethesda von der wenig beeindruckenden Dramaturgie eines New Vegas und orientiert sich an Fallout 3. Das Spiel soll eine emotionale Geschichte erzählen und uns so motivieren. Während sich Fallout 3 reichlich Zeit dafür gelassen hatte und unsere gesamte Kindheit und Jugend in der Vault skizzierte, nutzt Fallout 4 nicht sein ganzes Potenzial. Die durchaus solide Grundlage eines in einer fremden Welt aufwachenden Vault Dwellers auf der Suche nach seiner Familie wirkt verkürzt und nicht richtig ausgenutzt. Die Geschichte hat interessante Momente und erfrischende Figuren, erreicht jedoch nicht die dramaturgische Qualität eines Fallout 3.

Allerdings gibt sich Bethesda mit Fallout 4 in den Details wirklich Mühe, die Umgebungen und Figuren darin menschlich zu machen. Die zufälligen Ereignisse, in die wir geraten, machen das Wasteland lebendig. Ob wir nun die verstoßene Reporterin vor der verschlossenen Tür von Diamond City treffen, die beinahe besiegten Minutemen vor Raidern retten oder einen paranoiden Familienzwist auf offener Straße erleben – alleine das Erkunden des Wastelands macht ordentlich Spaß. Leider ist – und das ist die Kritik vieler Spieler – die Map sehr klein ausgefallen. Man läuft über die komplette Karte etwa elf Minuten lang. Das ist zwar nicht direkt klein, im direkten Vergleich zu anderen Open World-Games aber sehr unterdurchschnittlich.

Fallout 4 spielt sich wie eine Achterbahnfahrt. Atmosphärische und spielerische Glanzleistungen werden von technischen Mängeln schwer verwässert. Man kennt die Fallout-Reihe als Grand Theft Auto des postnuklearen Amerikas: Charmant, leicht selbstironisch, gesellschaftskritisch. Und genau diese Qualitäten schafft auch Fallout 4 wieder aufzubauen. Das postnukleare Boston umfasst ein atmosphärisches Sammelsurium aus spritzigen Figuren, sehenswerten Locations und charmanten Radioshows. Es ist alles wie gewohnt – und dennoch fällt Fallout 4 ein ganzes Stück düsterer aus. Unsere Reise durch das Wasteland wird von radioaktiven Stürmen unterbrochen und von dramatischer Musik unterlegt. Die Gesellschaft im postnuklearen Boston ist von Zwietracht gezeichnet. Brüder wenden sich gegen Brüder, die Angst vor den gewalttätigen Synths ist immer präsent, die Sucht nach synthetischen Substanzen allgegenwärtig.

Die Charakterentwicklung hat Bethesda zum ersten Mal seit Anbeginn der Reihe umgestellt. Statt bei einem Level-Up Punkte in die Special-Skills, Stats und Perks zu verteilen, können wir das Ziel unserer Fertigkeitspunkte nun genauer bestimmen. Bei jedem Level Up kriegen wir einen Punkt, den wir anschließend in einen Special-Skill oder eins der vielen Perks investieren können – die gewohnten Stats fallen dabei flach. Unsere Waffen und Rüstungsteile können wir anschließend ebenfalls an den Werkbänken anpassen und beispielsweise mit Schalldämpfern und größeren Magazinen verbessern.

Besonders spaßig ist allerdings die komplett neue Möglichkeit, ganz eigene Siedlungen aufzubauen. Bereits in den ersten Spielstunden wird es uns möglich gemacht, eine kleine Siedlung selber zu gestalten. Wir starten mit einer kleinen Zahl an Siedlern, müssen sie mit Nahrung, Strom und Sicherheit versorgen. Um die verschiedenen Objekte wie Mauern, Generatoren oder Betten zu bauen, müssen wir nahe gelegene Ressourcen sammeln und dürfen sie anschließend in Gegenstände verwursten. Dabei können wir reichlich kreativ werden: Aus Wänden, Türen, Einrichtungsgegenständen und Geschützen können wir vielfältige Siedlungen aufbauen. Mit Sicherheit bleibt jeder Spieler direkt zu Beginn eine Weile daran hängen – ich bin es jedenfalls.

All diese positiven Aspekte werden von massiven technischen Schwierigkeiten überlagert. Viele Spiele von Bethesda haben zum Start Probleme mit der Technik. Kein Vorgänger, weder The Elder Scrolls IV: Oblivion noch Fallout 3, ist mir aber bisher so negativ aufgefallen. Massive Framerate-Drops in Gebäuden, massenweise Glitches, ja sogar ein Game Breaking Bug, der das Spiel unkommentiert abstürzen lässt – das hat Fallout 4 zu bieten. Beim Laden eines Savegames wurde mein Vault Dweller sogar in eine bisher unbekannte Ecke der Karte teleportiert. Gelegentlich weigert sich Fallout 4, zu starten. Und wenn es dann gestartet ist, stürzt es auch mal ab. Besonders die Konsolenversionen von Fallout 4 sind betroffen, komplett einwandfrei läuft das Spiel aber auf keiner Plattform.

Wir merken dem Spiel zwar an, dass es einen grafischen Sprung gemacht hat – ein Quantensprung war das aber nicht. Die Texturen wirken bisweilen verwaschen, die Synchronisierung der Sprecher passt nicht zu den Lippenbewegungen. Die Städte und Locations sind dafür nicht so von wiederkehrenden Elementen übersät, wie es noch in den Vorgängern der Fall war. Insgesamt ist Fallout 4 mit Sicherheit kein hässliches Spiel. Den Kritiken der User ist ihr reeller Wert aber nicht abzusprechen.

Unser Fazit:
Fallout 4 macht Spaß. Gewaltigen Spaß sogar. Das Ödland ist charmant und erfrischend düster gestaltet, die neue Baumechanik in Siedlungen kann unterhalten und Bethesda hat gewohnt viele Details in das Spiel gesteckt. Gleichzeitig hat das erfahrene Studio aber auch merkwürdige Entscheidungen getroffen. Wieso fallen die Stats weg? Wieso fühlt sich Fallout 4 teilweise wie ein Shooter an? Und warum sprechen wir jeden NPC so an, als würden wir ihn seit Jahren kennen? Immer wieder fallen uns in Fallout 4 störende Details auf. Eine miese Technik und Atmosphärenkiller treten auf, anschließend entsteht wieder Spaß am überzeugenden Gameplay. Störendes und Spaßiges geben sich die Klinke in die Hand – gemischte Gefühle sind die Folge. Fallout 4 ist momentan mit Sicherheit nicht die Krönung der Reihe, aber mit etwas Feinschliff kann das noch werden.

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