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Mass Effect: Andromeda im Test: Ein unterirdischer Ausflug in außerirdische Welten

Fünf Jahre ist es inzwischen her, dass wir in Mass Effect 3 die Shepard-Trilogie zu einem kontroversen Ende brachten. Fernab davon, ob einem das Ende gefällt oder nicht, war es in sich geschlossen eine sehr emotionale und mitreißende Trilogie. Wie gerne denke ich an die Himmelfahrts-Mission aus Mass Effect 2 oder an den epischen Einsatz auf Tuchanka in Mass Effect 3 zurück. Viele Jahre fragte ich mich, wie man diese Videospielreihe noch weiterführen sollte. Nun ist Mass Effect: Andromeda erschienen und setzt Story-technisch mehr oder weniger einen Neuanfang. Ob sich dieser Neuanfang wirklich lohnt, erfahrt ihr in den kommenden Zeilen.

Doch worum geht es in Mass Effect: Andromeda? Zeitlich angesiedelt zu den Geschehnissen von Mass Effect 2 brecht ihr im Rahmen der Andromeda-Initiative auf, um neue Welten zu entdecken. Doch der Flug dauert nicht nur ein paar Stunden oder Wochen – nein, er dauert rund 600 Jahre. Theoretisch könnte man hier schon anfangen zu meckern, denn im gesamten “Mass Effect”-Story-Kanon macht dieser Plot eigentlich keinen sonderlich großen Sinn. In den alten “Mass Effect”-Teilen wird häufiger erwähnt, dass die eigene Galaxie und die Milchstraße zu 90% unentdeckt sind. Also warum 600 Jahre durchs All fliegen, wenn die eigene Galaxie noch unerforscht ist?

Mass Effect Andromeda 01

Nun könnte man meinen, wegen der drohenden Reaper-Invasion und der Auslöschung der eigenen Galaxie. Aber auch dieses Argument zählt nicht, denn die Protagonisten wissen nichts von der Reaper-Bedrohung. Wer sich zurückerinnert, wird wissen, dass nur Militärs und die N7 von dieser Bedrohung wussten. Aber gut, BioWare brauchte irgendeinen Ansatzpunkt, um eine neue Geschichte zu erzählen, also schluckte ich das herunter. Wenn der Rest passen würde, wäre das ja durchaus zu verkraften. Wir entscheiden uns also, ob wir den männlichen oder den weiblichen Part der beiden Geschwister Ryder spielen wollen und stürzen uns ins Abenteuer.

Nach einer kurzen Einleitung und einem dramatischen Ereignis, das uns beängstigend kalt lässt, finden wir uns in der Rolle des Pathfinders wieder und führen den Trupp bei seiner Aufgabe an, einen geeigneten Planeten zu finden. Schnell merken wir, dass uns dabei nicht alle Wesen mit offenen Armen empfangen und auch die Antagonisten stellen sich bereits früh vor. Schon in den ersten Dialogen hört man, wieso es anfangs so viel Spott hagelte, denn viele Gesichter und Dialoge wirken leider unfreiwillig komisch.

Mass Effect Andromeda 02

Die Gesichter rodeln metertief in die Uncanny-Valley-Schluchten und auch die Synchronisation kann nicht wirklich begeistern. Ich würde nicht so sehr meckern, wenn es nicht zig andere Titel bedeutend professioneller lösen würden, die eigene Serienvergangenheit inklusive. Sowohl auf deutsch-, als auch auf englisch gibt es echt einige Tiefpunkte, durch die eine Menge Emotionalität verloren geht. Auch nach über 30 Stunden konnte ich keinen wirklichen Bezug zu einem der Charaktere aufbauen, meinem eigenen inklusive.

Zu oft wirken die Dialoge seltsam oder sind inhaltlich so befremdlich, dass wir nur den Kopf schütteln. Doch wer darüber hinwegsehen kann, bekommt solide Science-Fiction-Kost serviert, die bei weitem nicht die Klasse der Vorgänger erreicht, aber noch immer guter Durchschnitt ist. Neben den Animationen und der Synchronisation spielt natürlich auch das Gameplay eine große Rolle, schließlich wurden in Mass Effect: Andromeda einige Neuerungen eingeführt. Diese gefallen uns mal mehr und mal weniger gut.

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Was uns wirklich gut gefallen hat, ist das neue Skill- und Charaktersystem. Ihr bestimmt, ob ihr eher Soldat, Taktiker oder Biotiker seid und entscheidet, in welche Skills und Angriffe ihr investiert. Mein Charakter ist zum Beispiel ein im Nahkampf versierter Biotiker, der aber auch eine Menge Waffen mit an Bord hat. Ihr könnt eure Skillung relativ frei eurem Spielstil anpassen und wild herumexperimentieren.

Auch die Gefechte gehen sehr schnell von der Hand und lassen sich, nicht zuletzt wegen unserem Jetpack, bedeutend flüssiger spielen, als in den Serienvorgängern. Es ist im Kern noch immer ein Deckungs-Shooter, aber mit flexiblerer Steuerung und größerer Abwechslung. So braucht ihr auch keine Taste mehr drücken, um in Deckung zu gehen, sondern stellt euch einfach an die Wand. Euer Pathfinder erledigt alles Weitere ganz von selbst. Etwas störend ist hingegen, dass es nur wenige verschiedene Gegnerarten gibt. Meist sind es immer wieder die Kett, die euch das Leben schwer machen wollen. Wer also hofft, dass es erinnerungswürdige Gegner – wie die Banshee – gibt, wird auch hier enttäuscht werden.

Mass Effect Andromeda 04

Und dann wäre da noch das Open-World-Prinzip und der Umgang mit dem Nomad, unserem Rover. An diesem Punkt scheiden sich die Geister. Bereits im Vorfeld musste sich Mass Effect: Andromeda immer wieder anhören, dass es hoffentlich kein Dragon Age: Inquisition im Weltall wird, aber nun, was soll ich euch sagen? Es ist Dragon Age: Inquistion im Weltall. Auf keinem der Planeten wollte der Entdeckerdrang in mir wirklich aufsteigen, denn die Formel war die ewig gleiche. Die vielen Fahrten mit dem Nomad über nahezu leere Planeten ödeten mich leider bereits nach wenigen Stunden ziemlich an.

Wir suchen Aufklärungspunkte, die zeitgleich unsere Schnellreisepunkte darstellen, fahren die Karte nach Nebenquests ab oder scannen Materialien, aus denen wir später Waffen oder Rüstungen herstellen können. Danach lösen wir einen Konflikt und fliegen weiter zum nächsten Planeten. Auf den jeweiligen Wegen ärgern uns zusätzlich immer mal wieder unsichtbare Wände oder Hürden, die wir mühselig umfahren müssen. Neben einem Spiel wie The Legend of Zelda: Breath of the Wild, das “Entdecken” in einem Videospiel neu definiert, wirkt Mass Effect: Andromeda leider wie aus dem Jahre 2010. Aber auch hier gilt: Wer sich davon nicht abschrecken lässt, wird seinen Spaß damit haben. Der leidtragendste Part hinter diesem Konzept ist allerdings unsere Geschichte. Nicht selten wird man vollkommen aus der Story herausgerissen, weil man wieder mal stundenlang Nebenaufgaben auf einem Planeten lösen musste. Das hätte man durchaus klüger lösen können.

Unser Fazit:
Darauf habe ich also fünf lange Jahre gewartet. Ein technisch unausgereiftes Sci-Fi-Spektakel mit einigen Höhen und leider sehr vielen Tiefen. Egal in welche Richtung ich blicke, es lässt mich weitestgehend unzufrieden zurück. Ja die Spielwelten sind groß und sehen wunderschön aus und auch die Fahrten mit dem Nomad funktionieren so, wie es sich das Entwicklerstudio vorgestellt hat, aber das bessert die Probleme nicht. Die Framerate ist nicht stabil, die Animationen sind fehlerhaft, die Dialoge platt und hölzern und auch bei unserer Crew will keine wirkliche Emotionalität aufkommen. Dabei ist es doch gerade das, was Mass Effect vor Jahren so groß gemacht hat. Schade.

Doch ein The Witcher 3, ein Horizon: Zero Dawn und ein Zelda: Breath of the Wild zeigen aktuellen mit Bravour, dass inzwischen andere Studios das Konzept von Open World und Questdesign bedeutend besser verstanden haben. Es ist nicht mehr zeitgemäß, stundenlang über leere Planeten zu donnern und zu scannen, zu sammeln und zu grinden, wie ein Berserker. Ich möchte betonen, dass es immer wieder Phasen gab, die mir Spaß gemacht haben und auch die Loyalitäts-Quests sind bedeutend ausgereifter als in Mass Effect 2, aber alles in allem bleibt ein fader Beigeschmack.

Wer der ewig gleichen Open-World-Formel noch nicht müde ist und Spaß daran hat, stundenlang mal mehr und mal weniger stupide Nebenquests zu erledigen, der kann bei Mass Effect: Andromeda bedenkenlos zuschlagen. Wer ein episches Abenteuer erwartet, dass an die alte Trilogie anknüpft und eine ähnliche Stimmung aufbaut, der sollte lieber die Finger davon lassen.

Unsere Wertung: (2.8/5.0)
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