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Nether im Test – Der Mensch ist des Tages Biest

Nether

Der Horizont zerschneidet die Sonne und das letzte Licht weicht der Dunkelheit in den Gassen. Nether aus dem Hause Phosphor Games konstruiert eine glaubhafte Postakokylapse und versetzt euch in einen knallharten Überlebenskampf zwischen Mensch und Monster. Ob Nether überzeugen kann und wo die Schwächen liegen, das könnt ihr in unserem Test lesen.

Überleben ist voll im Trend: Spätestens seit dem durchbrechenden Erfolg der Arma II-Modifikation DayZ und der sich in der Alpha befindlichen Standalone-Fassung haben Entwickler und Fans gleichermaßen gemerkt, dass in diesem Genre ordentlich Potential steckt. Überleben und Zombies töten macht nämlich Spaß. Aus diesem Grund muss sich jedes Spiel dieser Sparte, ob H1Z1 von Sony, das katastrophale The War Z (Infestation: Survivor Stories) oder eben Nether, am Titanen DayZ messen lassen. Nicht nur aufgrund der Abwesenheit der Zombies sei direkt gesagt: Bei Nether handelt es sich um keinen DayZ-Klon. Ähnlichkeiten, die dem gesamten Genre inneliegen, machen aus Nether keinen Klon, sondern einen eigenständigen Versuch am Mysterium Online-Survival.

Nether 4

Nach einigen technischen Hindernissen konnte ich schließlich in die Welt von Nether eintauchen. Nether befindet sich noch in der Open-Beta und ist deshalb ein Early Access-Titel: Während das Gameplay einen erkennbaren Verlauf einnimmt, müssen an die Technik besondere, sehr gnädige Ansprüche gestellt werden – deshalb sind die Startschwierigkeiten nicht nur normal, sondern verkraftbar. Nachdem ich im Hauptmenü also meinen Charakter rudimentär einkleiden und anpassen konnte, werde ich auf Wunsch auf einem mittelvollen Server in eine sogenannte Safezone verfrachtet. Das ist eine von wenigen “sicheren Zonen” im Spiel, in der andere Spieler zusammenkommen und auf Händler treffen. Hier können erste Aufträge angenommen, sogenannte Stämme zum Beitreten ausgewählt und durch Quests erhaltenes Geld ausgegeben werden. Die Quests bestehen bisher fast ausschließlich aus recht lukrativen Kuriermissionen, in denen anonyme Pakete zwischen den Safezones, sogenannten Outposts, transportiert werden sollen.

Mit den unterwegs gesammelten Items und den mit den Missionen verdienten Dollars lassen sich in einem globalen Shop allerhand kosmetische und pragmatische Items kaufen. Dazu gehören neben Kleidungsartikeln Waffen und Verbrauchsgegenstände wie Schmerz- oder Nahrungsmittel, um die Gesundheits- und Nahrungsanzeige zu füttern. Zusätzlich haben Phosphor Games eine gegen Echtgeld erwerbbare Gold-Währung eingeführt, die bisher aber nur für kosmetische Artikel genutzt werden kann – das bedeutet vorerst kein Pay-To-Win-Modell. Die Währungen, ob Dollar oder Gold, sind accountgebunden und die Dollars gehen, anders als die mitgeführten Items, nicht mit jedem Tod komplett, sondern nur prozentual verloren. Mikrotransaktionen in kostenpflichtigen Titeln sind zwar befremdlich, werden hier aber gut gelöst und nehmen vorerst keine wichtige Rolle ein.

Erfüllt ihr Missionen und tötet Nether – die Monster in der Stadt, die vor allem Nachts auftauchen – bekommt ihr zusätzlich Erfahrungspunkte. Mit denen könnt ihr im Level aufsteigen und in altbewährter Manier Skilltrees leveln. Diese gestalten sich klassisch mit Schlagwörtern wie Stealth, Nahkampf oder Überleben und bescheren euch regelmäßig neue Fertigkeiten. Dazu gehören Skills wie Blocken oder eine ruhige Hand beim Zielen. Genau hier unterscheidet sich Nether vom avantgardistischen DayZ. Klassische Elemente wie Skilltrees oder Erfahrungspunkte kommen in DayZ nicht vor. Dort bestimmt euer Equipment und eure Vorsicht den Erfolg – nicht das Level. Das macht keines der beiden Systeme schlechter, Nether geht das Erlebnis lediglich ganz klassisch an.

Nether

Die Welt, die Phosphor Games für Nether konstruiert hat, ist überzeugend. Den wichtigsten Teil der noch nicht komplett verfügbaren Karte machen Straßenschluchten und U-Bahn-Tunnel aus, daneben existiert noch eine dagegen unbeeindruckende Insel-Ebene im Westen der Karte. Die sonnengefluteten und rauchgefüllten Straßen sind von passend gestalteten Ruinen längst vergangener Zeiten umgeben und von Autowracks gepflastert. Sowohl die Ruinen der Parks, Kirchen und Wohnhäuser, als auch die verfallenen Autos und Krankenwagen enthalten noch spärlich verteilte Container, die von euch durchsucht werden können. Diese enthalten dann “Consumables” wie Nahrung, Wasser, Munition oder sogar Waffen. Geneigte Überlebende können sich also zwischen oder während den Missionen nach Loot umschauen und die Brieftasche mit dem Erlös der Items etwas ausbessern. Dazu kommen Stämme, denen ihr euch anschließen, Gebiete, die ihr erobern und Safezones, die ihr gegen die Monsterbrut verteidigen könnt. Das würde für euch auch alles ganz toll funktionieren, wären da nicht…

…die anderen Spieler. Ein Kernelement der Erfahrung, die ein DayZ ausmacht, ist die Interaktion mit anderen Spielern. Die Motive des Gegenübers sind in keiner Sekunde ersichtlich und oftmals nicht freundlicher Natur. Eine Begegnung kann dann genau so schnell enden, wie die dort beginnende Zusammenarbeit fruchtbar sein kann. Ähnlich feindselig verhalten sich in der Regel auch die Spieler von Nether. Während die ersten Spieler meist nur Konfrontationen aus dem Weg gehen möchten, gehen die Späteren, mit Schusswaffen Ausgerüsteten ohne Zögern auf Unbewaffnete los. Aus zwei Gründen scheint die Begegnung mit anderen Spielern entzaubert: Durch die verwinkelten Straßen treffen sich Spieler nur sehr selten aus großer Entfernung und können sich langsam annähern – man trifft meistens auf Spieler, wenn sie schon sehr nah dran sind. Das lässt jede Begegnung schnell eskalieren. Und das liegt zweitens auch daran, dass Mittel der Kommunkation fehlen. In DayZ ist es möglich, eine Hand (Gruß) oder beide Hände (Ergeben) zu heben, um dem Gegenüber Signale zu geben. Grüßen beide Spieler, gibt es zumindest nicht sofort Tote. Zwar gibt es in Nether einen Voice- und Global-Chat, nicht aber die Möglichkeit von direkten Handzeichen. Das fordert direkte Reaktion – um des eigenen Lebens willen. Reagieren könnt ihr übrigens mit allerhand Nahkampfwaffen wie Äxten, Schwertern, Schlägern oder Schusswaffen wie Gewehren, Pistolen und Schrotflinten. Während Erstere direkt anfangs gekauft werden können, erfordern die Schusswaffen einen gewissen Aufwand. Es müssen entweder die Teile zusammengesucht und -gebaut, die Waffe gefunden oder einem Spieler abgenommen werden. Ganz wichtig ist für den Erfolg von Nether aber, die Dropchancen und -orte drastisch zu erhöhen. Der Reiz, tolle Items zu suchen und zu finden, macht einen großen Teil des Spaßes aus.

Nether

So schön und überzeugend die (leider noch namenlose) Stadt gestaltet ist, technische Schwierigkeiten trüben das Erlebnis. Aufpoppende Objekte in der Ferne, flackernde Texturen und fiese Fälle von Tearing stehen messerscharfen Schatten und einer schönen Kulisse entgegen. Modelle von Gebäuden und Abschnitten wiederholen sich, die funktionale und innere Ausgestaltung der Gebäude lässt noch viel Raum nach oben, Objekte können ohne Kollision durchlaufen werden – wir dürfen aber nicht vergessen, dass technische Mängel im Konzept des Early Access eingerechnet sind. Letztlich sind diese Mängel also, wie bei allen Early Access-Titeln, verschmerzbar.

Unser Fazit:
Nether ist kein DayZ. Wie eingangs erwähnt, soll der Eindruck eines DayZ-Klons dringend verhindert werden. Eine dichte und vor allem nachts durch wundervoll gestaltete Monster schaurige Atmosphäre gepaart mit einem klassischen und deswegen passenden Skillsystem hebt Nether schon in der Beta auf ein hohes Niveau. Zwar stören uns weniger spannende Begegnungen mit anderen Spielern, technische Probleme und eine mangelnde Abwechslung bei Quests, die große Karte und das insgesamt spaßige Gameplay zeigt aber, wohin die Reise gehen soll: Ein schauriger Überlebenskampf gegen die Legionen der Hölle soll Nether werden. Was aber noch fehlt, ist eine größere Karte, mehr Abwechslung und ein größerer Fokus auf den Überlebenskampf.

Unsere Wertung:Nether RebelGamer Wertung

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