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Civilization: Beyond Earth im Test – Per Aspera Ad Astra

Spieler von Civilization kennen keine Enttäuschung. “Eine Runde noch” steht spätestens dann auf ihren Bannern, wenn sie komplett in die Welt der beliebten Rundenstrategie-Serie eintauchen. Seit dem 24. Oktober könnt ihr in Civilization: Beyond Earth in den Weltraum reisen. Ob sich der Flug ins All lohnt oder niemand unsere Schreie im Weltraum hört, das erfahrt ihr im Test!

Civilization 2 war 1998 auf der PlayStation 1 neben “Dune 2” eines der ersten Strategiespiele, die ich gespielt habe. Der Aufbau einer Zivilisation durch die Jahrtausende, vom Nomadenstamm zum Weltraumfahrer, faszinierte meinen noch jungen Verstand. Und auch danach wurde ich nie enttäuscht: Sowohl Civilization 3, als auch Civilization 4 bezauberten mich. Selbst das anfangs noch als zu simpel kritisierte und später dann doch gefeierte Civilization 5 zog mich voll in seinen Bahn. Sentimental anrührend lässt uns Beyond Earth unsere geliebte Erde notgedrungen verlassen und schickt uns im Stile eines Alpha Centauri auf fremde Planeten. Doch sind alte Tugenden und neue Features ebenfalls an Bord unseres Raumschiffes?

Ein jedes Civilization beginnt mit der Auswahl des eigenen Volkes. Waren wir in den Vorgängern bei unserer Auswahl relativ begrenzt und konnten nur zwischen realen Völkern mit unterschiedlichen Eigenschaften wählen, folgt Civilization: Beyond Earth logisch der Flucht von der Erde und lässt uns mehr Freiraum. Erfrischend eigenständig können wir uns unser Volk selbst zusammenbasteln. Beginnend mit der Auswahl eines Sponsors, der uns einen allgemeinen Vorteil gibt, formen wir unsere Auserwählten. Anschließend werden durch die Auswahl des Raumschiffes, der Kolonialisten und anderer Charakteristika die Eigenschaften des eigenen Volkes festgelegt. Anschließend darf aus einer Vielzahl von Planeten das eigene Heim ausgewählt und aus einem kleinen Kreis auf der Oberfläche die Startposition bestimmt werden. Leider ergeben sich trotz einer Vielzahl verschiedener Planeten oft sehr ähnliche Umfelder, die an das dunkle Setting eines Alpha Centauri erinnern. Allerdings kommen dazu noch Karten mit erhöhter Schwierigkeit, die den Anspruch beispielsweise durch engere Spielerverteilungen wesentlich erhöhen.

Ist der Startpunkt gesetzt, geht es wie bereits gewohnt weiter. Als Erstes wollen Forschungsziele und Produktionen in der “Hauptstadt” ausgewählt werden. Und bereits bei der Auswahl der Forschung fällt uns als Neuerung das freie Forschungssystem auf. Wir haben ein großes Netz aus verschiedenen allgemeinen Forschungsbereichen mit ihren eigenen, spezifischen Unterthemen, die wir frei erforschen können. So können wir letztlich unsere Forschung auf unsere Spielweise abstimmen und müssen nicht am Wettlauf der Geschichte teilnehmen. Ob wir nun über Nanotechnologie oder sogar an einem Hypercomputer forschen, diese Entscheidung liegt ganz bei uns. Die Zitate, die die Forschungen im Vorgänger unterlegt haben, wurden in Beyond Earth übrigens durch ebenso stimmige, aber fiktive Zitate ersetzt.

Haben wir die Startvorbereitungen abgeschlossen, fallen uns in der modernen Benutzeroberfläche neue Punkte auf. Statt der aus den Vorgängern bekannten Ressourcen wie Gold und Zufriedenheit, finden wir dort Energie und Gesundheit. Letztlich ist das alter Wein in neuen Schläuchen, denn die neuen Namen beschreiben die gleichen Funktionen wie in den Vorgängern. Generell ist anzumerken, dass es viele der Elemente aus den Vorgängern nach wie vor gibt – lediglich im neuen Gewand. Schließlich sind unsere Menschlein von der Erde geflohen und haben auf dem neuen Planeten keinen Nutzen für Geldwirtschaft, weswegen die Energie das Gold ablöst. So werden jetzt beispielsweise die Unterhaltskosten für Einheiten vom fest vorgegebenen Energievorrat pro Runde abgezogen. Ebenso steht statt der Zufriedenheit jetzt die Gesundheit eurer Kolonie im Vordergrund. Da Planetenflucht aber kein Kinderspiel ist, setzt euch Civilization: Beyond Earth auch noch unbekannten Gefahren aus. So fügt ein mysteriöses Miasma euren Einheiten jede Runde Schaden zu und die Funktion komplett neuer Elemente muss ebenfalls erst erschlossen werden. Civilization: Beyond Earth gibt sich geheimnisvoll und entfesselt einen eigenen Entdeckungsdrang.

Ebenfalls übernommen wurden die aus dem Vorgänger bekannten Sozialpolitiken. Die tragen jetzt den rationalisierten Namen “Werte” und werden mit genügend Kultur freigeschaltet. Werte prägen eure Kultur und gliedern sich in Macht, Wohlstand, Wissen und Industrie – das kommt uns ebenfalls aus dem Vorgänger bekannt vor. Jeder dieser “Wertebäume” orientiert sich so an einem der vier wichtigen Spielweisen: Militär, Finanzen, Wissenschaft und Produktion. Wie gewohnt schalten wir mit neuen Werten permanente Boni für unsere Bevölkerung frei. Andere Boni bekommen wir auch durch sogenannte Orbitaleinheiten: Das sind temporäre Einheiten, die wir in den Orbit schießen und dadurch Vorteile wie eine erhöhte Produktion durch Solarzellen erhalten. Das ist zwar spielerisch nicht wirklich anspruchsvoll, aber eine frische Quelle für Verbesserungen.

Nach unserem erfolgreichen Start trudeln nach und nach andere Gruppierungen auf unserem Planeten ein. Deren Startpunkt kennen wir direkt und können deswegen sofort in Kontakt mit ihnen treten. Die repräsentierten Gruppen sind hier fiktiver Natur, können aber grob den irdischen Ländern zugeordnet werden: Sowohl eine Slawische Föderation als auch der Commonwealth des Pazifiks tragen ihren irdischen Stempel. Leider fehlen den verschiedenen Mitspielern eindrucksvolle Figuren und die Verhandlungspartner als solches stechen durch ihr gewöhnliches Design nicht besonders heraus. Aber auch in der Diplomatie werden sich Fans der Reihe wie Zuhause fühlen: Die Optionen, die uns in der Diplomatie zur Verfügung stehen, haben sich nämlich kaum geändert. Neben diversen Handelsmöglichkeiten können wir Allianzen vorschlagen, Gegner in der Öffentlichkeit verdammen oder einen Krieg anzetteln. Dazu kommen noch kleinere “Stadtstaaten” in Form von Stationen, die wir durch Handel aufwerten und dadurch Boni sammeln können. Die Interaktion mit neutralen Mitspielern fällt allerdings lange nicht so komplex aus wie im Vorgänger und beschränkt sich mehr auf das Erzielen der Boni und weniger auf geschickte Diplomatie, der im Vorgänger sogar eine komplette Spielweise gewidmet war.

Dafür haben die Siegbedingungen wesentlich kreativere Inhalte als jemals zuvor. Musste man in den Vorgängern schlicht das Weltraum als Erster erreichen oder die anderen Spieler auslöschen, so gibt es in Beyond Earth bunte Möglichkeiten: Wir können beispielsweise in Kontakt mit einem Organismus im Innern des Planeten treten, zur Erde zurückkehren oder die komplette Herrschaft über unsere neue Heimat übernehmen. Erfrischend erzählte Siegbedingungen heben Beyond Earth angenehm von den anderen Titeln ab und ergänzen das Sci-Fi-Setting ausgezeichnet. Letztlich sind die neuen Siege aber nur inhaltlich besonders, als Voraussetzung fordern sie nach wie vor bestimmte Gebäude oder Technologien.

Dazu kommen regelmäßige Quests à la Anno 2070, die entweder eine direkte Entscheidung fordern oder eine Aufgabe wie das Gründen eines Außenpostens beinhalten. Solche Quest-Entscheidungen, die stellenweise jede Runde verlangt werden, enthalten zwei Möglichkeiten und wirken sich auf die Spielwelt aus – beispielsweise soll entschieden werden, ob man die Aliens auf dem Planeten domestizieren oder direkt vernichten möchte. Jede Entscheidung hat Auswirkungen auf die Umwelt und auf die Beziehungen mit den anderen Spielern, was Beyond Earth eine zusätzliche diplomatische Komponente gibt.

…Aliens? Richtig gehört: Die Barbaren der Vorgänger wurden durch Aliens ersetzt. Diese fiesen Kameraden huschen über die Karte und können euren Einheiten vor allem in der Startphase ordentlich einheizen. Glücklicherweise ist ihr Verhalten an bestimmte Faktoren gekoppelt und somit sind sie nicht immer direkt feindlich gesinnt. Ebenso können sie – wie schon die Barbaren – von Städten angegriffen werden und in der Regel pieksen sie nur ab und an eure Einheiten tot. Verhält man sich nicht feindlich und lässt ihre Nester ganz, dann können Aliens sogar freundlich gestimmt werden. Es ist aber letztlich dem Spieler selbst überlassen, wie er den Außerirdischen begegnet – einen immens spannenderen Gegner als die Barbaren bieten die Aliens aber allemal! Verschiedene Alienformen wie der mächtige Belagerungswurm können einiges austeilen und einstecken. Und deswegen kann die Auslöschung der Aliens eine langwierige Aufgabe werden.

Im Allgemeinen übernimmt Civilization: Beyond Earth viele Elemente aus seinen Vorgängern. Beyond Earth nimmt sich alte Features wie Barbaren und Nahrungsressourcen und pflegt sie wohlwollend in das neue Setting ein. Dazu kommen altgewohnte Diplomatie-Mechaniken und bereits bekannte Einheitenklassen mit neuen Namen. Einerseits führt das dazu, dass das Gameplay zwar bekannt und deshalb wenig innovativ wirkt, dafür aber exakt den gleichen Suchtfaktor entfaltet wie alle Civilization-Titel davor. Zu den übernommenen Features kommen letztlich einige neue Elemente hinzu: Zum Beispiel reagieren die Aliens – anders als die Barbaren – wesentlich empfindlicher auf eure Entscheidungen und euer Verhalten. Ebenso sorgen neue Ressourcen und anfangs unbekannte Variablen wie die Miasmata für ein frisches Spielerlebnis, das Beyond Earth vom Status eines Expansion Packs zum vollwertigen Titel erhebt. Seit je her bauen schließlich die Civilization-Titel aufeinander auf und Beyond Earth bietet genug Innovation, um als eigenständiger und guter Titel durchzugehen. Die Tatsache, dass man sich im Spielgeschehen sofort zurechtfindet, rechtfertigt jedes wiederholte Feature absolut. Verglichen mit Civilization 5 mag Beyond Earth aber Veteranen langsamer vorkommen, da viele Forschungen ein vielfaches mehr Zeit benötigen. Das kann zwischenzeitlich dazu führen, dass keine neuen Gebäude gebaut werden können, weil das nötige Wissen noch nicht vorhanden ist.

Leider macht Civilization: Beyond Earth keinen visuellen Quantensprung und befindet sich auf einem ähnlichen grafischen Niveau wie Civilization 5. Zwar wurden die verwaschenen Texturen, die man in Teil 5 vor allem auf den Geländefeldern ausmachen konnte, ausgebügelt und einem generellen Make-Over unterzogen, ein großer Fortschritt ist aber nicht bemerkbar. Auch wirken die Gebiete der Planeten recht düster und wenig einladend – florale Paradiese wären angesichts der planetaren Vielfalt sicher drin gewesen. Etwas aufgelockert werden die Geländefelder durch farbenfrohe Rohstoffe wie etwa das orange leuchtende Firaxit (Ob sich der Entwickler Firaxis Games dabei etwas gedacht haben mag?). Letztlich passt die Grafik wunderbar und aus gutem Grund müssen Strategie-Titel keine Grafikbomben sein. Die Klangkulisse von Civilization: Beyond Earth ist betont melancholisch und unterlegt damit grandios die dystopische Grundstimmung des Spiels.

Wie inzwischen gewohnt, darf man sich in Civilization: Beyond Earth auch über einen Multiplayer-Modus freuen. Ganz klassisch darf man via Steam die K.I.-Gegner durch menschliche Kontrahenten ersetzen und rundenweise um Ressourcen und Macht kämpfen. Der “Hot Seat”-Modus – im Prinzip nichts anderes als ein lokaler Multiplayer – lässt mehrere Spieler abwechselnd an einem PC sitzen. Es ist erfrischend, lokale Multiplayer zu sehen, aber die Nützlichkeit bei einem solchen Titel steht zur Debatte. Erfreulicherweise hat Firaxis Games auch direkt den Steam Workshop eingebaut, sodass man sich kinderleicht diverse Mods für Beyond Earth herunterladen und beliebig ergänzen kann.

Fazit:
Was für ein Suchtmittel! Beyond Earth lässt dem Spieler nun alle Freiheiten. Das freie Spielerlebnis durch das nichtlineare Forschen und der dynamischen Alien-Gruppierung erfrischt selbst Civilization-Veteranen. Es kombiniert alte Tugenden mit neuen Features und lässt so jeden Strategiefan Chips mampfend und “Eine Runde noch” stotternd vor dem PC vegetieren. Der wenig fade Beigeschmack von bereits bekannten Features und abwechslungsarmen Planetendesign ändert nichts an der unheimlich suchtvollen Rundenstrategie, die die Jungs und Mädels von Firaxis Games da gebastelt haben. Die neuen Features will ich nicht missen und freue mich auf die nächste Runde in der neuen Welt. Schlaft euch gut aus, denn mit Beyond Earth wird es eine lange Nacht!

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