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Early Access darf alles!

Die Geschichte des Early Access beginnt 2009 ohne Vorahnung und sehr erfolgreich mit Minecraft. Als Markus „Notch“ Persson den Klötzchenbauer entwickelte, hatte er wohl keine Ahnung, was sein Entwicklungskonzept für Wellen schlagen würde. Seit der Einführung von DLCs und Mikrotransaktionen hat kein Konzept so viel Verärgerung hervorgerufen wie Early Access. Warum das gar nicht sein muss, erfahrt ihr im Folgenden.

Das Verkaufskonzept von Minecraft ist simpel: Bereits in der Alpha-Phase konnte man Minecraft zu einem vergünstigten Preis kaufen. Mit einem steigenden Entwicklungsstatus, stieg der Preis – dafür bekam der Spieler auch mehr. Das Interessante dabei: Das Konzept ist und war extrem erfolgreich. Bis heute wurde Minecraft auf verschiedenen Plattformen beinahe 50 Millionen Mal verkauft.

Die Message kam bei der Industrie natürlich schnell an: Damit lässt sich Geld verdienen. Spieler bekommen ein halbfertiges Spiel, werden in die Entwicklung einbezogen und unterstützen diese finanziell. Natürlich ist das vor allem für unabhängige Entwickler interessant. Ungefähr 75% der Early Access-Titel auf Steam sind von unabhängigen und kleineren Indie-Entwicklern.

Die Vorteile für den Entwickler liegen auf der Hand: Waren früher interne Testgruppen für das Feedback zuständig, bezahlt jetzt eine breite Spielerschaft dafür, um die gleiche Aufgabe zu erfüllen. Das Zombie-Survival-Game DayZ hatte bereits kurz nach Release zwei Millionen Einheiten abgesetzt – und konnte so bei einem Kaufpreis von über 20€ ein ordentliches Budget aufbauen. So kann der Entwickler mit einem Faktor Geld einnehmen, in den er früher investieren musste. Dazu kommt, dass Spieler so den Entwicklungsprozess mitverfolgen können und das Spiel lange vor Release spielen dürfen. Scheinbar gewinnen beide Seiten.

Dass ein unfertiges Spiel nicht jeden zufriedenstellt, das liegt auf der Hand. Deswegen ist jeder Early Access-Titel auf Steam mit einem Disclaimer versehen. Steam weist darauf hin, dass „dieses Early Access-Spiel noch nicht fertig“ sei und sich „in Zukunft verändern“ könne. Der vom Entwickler verfasste Disclaimer umfasst verschiedene Warnungen, Anforderungen und Wünsche an den Spieler. Der Grundtenor ist aber immer gleich: Dieses Spiel ist nicht fertig, weist massive Bugs auf und wenn dir das nicht gefällt, kauf es nicht! Kauf dir dieses Spiel nur, wenn du helfen möchtest.

Entwickler werden nicht müde zu betonen, dass ihre Spiele lange nicht fertig sind. Dean Hall, ehemaliger Kopf hinter DayZ, ging sogar so weit, den Spielern vom Kauf abzuraten. „Etwas früh zu kaufen ist das Rezept für Enttäuschungen“, warnte er die Spieler schon Ende 2013. Warum ist es Entwicklern wie Dean Hall, deren Titel mit großem Interesse erwartet werden, so wichtig, die Unfertigkeit zu betonen und Leuten sogar vom Kauf abzuraten? Das Problem ist die Erwartungshaltung des Großteils der Spieler.

Diese falsche Erwartungshaltung spiegelt sich in den Nutzerreviews der betroffenen Titel auf Steam wider. Die Kritik der Spieler überfliegt die Disclaimer und landet direkt in der Kommentarbox. Die Kritik, die von den Spielern geäußert wird, rangiert zwischen ernstzunehmenden Empfehlungen und unangebrachter Mäkelei. Meistgenannte Kritikpunkte sind Server-Probleme, massive Bugs und ein schlechtes Gameplay. Ein oft genannter Punkt ist ferner, selbst Early Access-Titel „dürfen sich nicht alles erlauben“. Und hier liegt der Knackpunkt: Sie dürfen es.

Die Spiele, die wir als Early Access betiteln, sind meilenweit von ihrem gewünschten Zustand entfernt. Die Entwicklung von Spielen ist ein Prozess, an dessen Beginn eine Idee und eine magere Umsetzung steht – und am Schluss wird ein Traum realisiert. Der Schluss ist bei fast allen Early Access-Titeln lange nicht erreicht. Dieser muss eigentlich gar nicht nicht erreicht werden, denn das Recht auf Fertigstellung steht keinem Käufer zu. Die Entwicklung kann ohne fertiges Produkt und ohne rechtliche Konsequenzen abgebrochen werden.

Der Anspruch vieler Spieler, Early Access-Titel als fertige Spiele zu begreifen und dies anhand gleicher Maßstäbe beurteilen zu wollen, ist unangebracht. Dass die Disclaimer und die Warnungen der Entwickler so wenig Beachtung bekommen und die Spiele dafür so viel Kritik auslösen, ist inzwischen sinnbildlich für den Begriff „Early Access“. Wir sollten die positiven Seiten des Konzepts Early Access anerkennen: Kleine Entwickler können ihre Spiele realisieren – ob und wie sie es tun, das liegt auch in der Hand des Konsumenten. Das ist eine Stufe des Konsums, von dem wir in anderen Branchen nur träumen können. Das ist Basisdemokratie in der Spieleindustrie.

Dass Entwickler rechtlich an keine ihrer Versprechungen gebunden sind, das kann man gut oder schlecht finden. Dass man ihren Spielen aber mit Verständnis und Vernunft begegnen muss, das sollte selbstverständlich sein. Im Moment ist der übersprungene Disclaimer aber einfach das Gegenstück zu blind akzeptierten AGBs.

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