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Kommentar zu Rust: Das erfundene Rassismus-Problem

Die kreativen Köpfe von Facepunch haben unter der Leitung von Lead-Designer Garry Newman ein neues Update für den hauseigenen Survival-Titel veröffentlicht. Rust probiert etwas Besonderes: Neben einigen Fehlerbehebungen enthält das Update nämlich ein soziales Experiment.

In Zukunft erhalten alle Rust-Spieler neben einem willkürlichen Aussehen auch eine zufällige Hautfarbe. Beides wird dann an die Steam-ID geknüpft. Somit bleibt das Erscheinungsbild des eigenen Charakters auch nach einem Neuanfang erhalten. Garry Newman begründet diese Entscheidung wie folgt: „Du bist, wer du bist. Im echten Leben kannst du deine Hautfarbe oder dein Gesicht auch nicht ändern“. Im Grunde genommen würde Newman gerne mit erhobenem Zeigefinger auf die wenigen rassistischen Spieler zeigen, die bei Rust ihr Unwesen treiben. Das Feedback der Spielerschaft fällt größtenteils positiv aus, dennoch gibt es einige Käufer, denen das neue System sauer aufstößt. Einige fordern sogar ihr Geld zurück.

Aber ist das jetzt ein gerechtfertigtes soziales Experiment, oder doch nur ein reiner PR-Gag, um Rust mal wieder aus der gaming-journalistischen Versenkung zu holen? Falls das ganze nur ein PR-Gag sein sollte, hat er seinen Zweck erfüllt. Schließlich wurde dieser Kommentar veröffentlicht und auch englische News-Seiten schlagen Purzelbäume. Sollte das Update hingegen wirklich ein soziales Experiment werden, bleibt nur zu sagen: Setzen, sechs! Es gibt keinen nennenswerten Rassismus in Videospielen. Das es überall ein paar Trolle gibt, lässt sich nicht bestreiten. Dennoch stellen diese bloß einen kleinen Teil der Community dar.

Welche andere Form von Rassismus kann es also in einem Videospiel geben, wenn das Gameplay an sich ausscheidet? Praktisch gesehen bleibt nur noch der Spieler selbst. Jemand der ein rassistisch ausgeprägtes Verhalten an den Tag legt, könnte sich vielleicht daran stören, wenn er einen Protagonisten mit einer anderen Hautfarbe spielen muss. In GTA: San Andreas hat es letztendlich auch niemanden gestört, mit CJ, der schwarzen Hauptfigur, San Andreas unsicher zu machen. Die Chance, dass jemand mit rassistischen Tendenzen ein solches Spiel dann auch wirklich spielt, ist zwar wesentlich geringer, geht aber nie gegen null.

Insbesondere bei Ego-Shootern sieht man, bis auf die Arme, nie wirklich viel vom eigenen Körper. Zumindest bei Singleplayer-Titeln. Wie schaut es aber im Multiplayer aus? Die wenigsten Online-Games bieten die nötige Anonymität. Jeder Spieler der rassistisch auffällig wird, kann jederzeit gemeldet und gekickt bzw. gebannt werden. In ganz schweren Fällen ist sogar eine Anzeige seitens der Spielebetreiber möglich. Gerade in Online-Spielen mit aktiver Betreuung kann schnell gehandelt werden. Ein gutes Beispiel wäre World of Warcraft mit entsprechendem Gamemaster-Support. Ein auffälliger Account wäre schnell gesperrt. Das tut vor allem dann weh, wenn vorher viel Geld in den selbigen investiert wurde. Ernsthafte Spieler werden es sich also genau überlegen, ob sie rassistisch auffällig werden.

„Newman hat das Problem selbst ins Leben gerufen!”

Somit stellt sich die Frage: Ist die Entscheidung von Newman wirklich gerechtfertigt?
Nun, dieser Punkt ist ganz interessant. Facepunch habe intern die Möglichkeit debattiert, die rassistischen Äußerungen zu zensieren. So weit, so gut. Bei der Beobachtung des Spielgeschehens auf den Servern stellten sie hingegen fest, dass rassistische Spieler stets in der Minderheit waren. Des Weiteren haben sich die Mitspieler immerzu gegen den entsprechenden User zusammengeschlossen. Es gibt also nur wenig Rassisten im Spiel und diese werden auch noch von anderen Gamern für ihr Verhalten bestraft. Ein besseres Zeichen für Zusammenhalt kann es doch kaum geben. Welches Ziel soll dann diese Aktion haben, wenn es doch sowieso kaum Rassismus gibt? Mit dem Update hat Newman das Problem erst richtig ins Leben gerufen! Im Interview mit Kotaku sagte Newman dann: „Ich wünschte ich hätte eine Analyse zur Nutzung des N-Wortes vor und nach dem Update gemacht. Es ist schon spürbar angestiegen, soweit ich das beurteilen kann.”

Weiter schrieb Garry Newman: „Wir wollten einen Weg finden, damit sich die verschiedenen Spieler nicht nur anhand ihrer Namen identifizieren können. Sowas wie einen Fingerabdruck. Hier handelt es sich um einen fortlaufenden Versuch. In unserem idealen Szenario wird es möglich sein, einen Spieler anhand seines Gesichtes zu erkennen, niemand sieht dem anderen ähnlich.“. Der Plan ist also, eine nahezu unendliche Menge an möglichen Kombinationen zu schaffen. Auch wenn die Grundidee von „Du bist, wer du bist“ ganz interessant ist, hat dieser Ansatz wesentlich mehr Potenzial.

Die Identifikation mit dem Charakter ist in dieser Form der digitalen Medien nämlich besonders wichtig. Man muss sich mit seiner Spielfigur einfach anfreunden können, sonst ist die Lust am Spiel schnell futsch. Die Geschichten der meisten AAA-Titel sind oft so umfangreich wie ein Hollywood-Drehbuch. Schließlich werden in den großen Studios unzählige Autoren beschäftigt, deren einzige Aufgabe es ist, ein passendes Gesamtbild zwischen Spielwelt und Geschichte zu erschaffen. Zwei der besten Beispiele dürften wohl GTA San Andreas und GTA V sein. In beiden Games schlüpft man, bei GTA 5 zumindest zeitweise, in die Rolle eines schwarzen Protagonisten. San Andreas war seinerzeit ein Verkaufshit und mit GTA 5 hat sich Rockstar dann noch einmal selbst übertroffen.

Dies ist nur möglich, wenn man dem Spieler den Protagonisten durch eine gute Erzählung näher bringen kann. Bei Survival-Titeln, und in diesem speziellen Fall bei Rust, gibt es hingegen keine Story. Der Gamer ist hier völlig auf sich selbst gestellt und ganz allein für seine eigene Geschichte verantwortlich. Gerade in so einer Situation ist die Anpassung der Spielfigur entscheidend, um sich mit der selbigen identifizieren zu können. Nur so entsteht eine gewisse Immersion, man nimmt das Spiel deutlicher wahr. Sich in einen Charakter hineinzuversetzen ist ohne Story deutlich schwerer, je weniger er den Vorstellungen des Spielers entspricht.

Somit könnte jeder Spieler das Aussehen seiner Figur besser mit den persönlichen Bedürfnissen in Einklang bringen.

Die Aktion riecht förmlich nach PR-Gag. Immerhin hat Rust schon eine ganze Weile kaum für Aufsehen gesorgt. Garry Newman möchte hier ein Thema aufgreifen, welches in dieser, von ihm dargestellten, Form nicht mal existiert. Schon gar nicht bei Rust, wo sich Spieler gegenseitig gegen rassistische Mitspieler verbünden und der angegriffenen Person beistehen. Stattdessen würde es Rust gut tun, wenn es mehr Anpassungsmöglichkeiten für den eigenen Charakter geben würde. Somit könnte jeder Spieler das Aussehen seiner Figur besser mit den persönlichen Bedürfnissen in Einklang bringen. Folglich wäre die Identifikation mit dem Protagonisten deutlich einfacher. Hätte man dieses Feature nicht als mögliches „Heilmittel“ gegen den Rassismus in Rust, sondern als Besonderheit des Spiels vorgestellt, wären einige Reaktionen deutlich positiver ausgefallen. Meine inklusive – schade!

Falls jemand auf die Idee kommt: Ich bin nicht genervt, weil mein Charakter nicht meine Hautfarbe mit mir teilt. Das tut er nämlich. Und selbst wenn nicht, dann wäre es mir auch egal. Hauptsache das Gameplay stimmt!

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