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Hatred im Test – Namenlos und ohne Herz

Hatred – kaum ein Spiel hat seit der Ankündigung im vergangenen Jahr solch meterhohe Wellen geschlagen. Direkt nach dem ersten Trailer war vielen klar: Der Twinstick-Shooter von Destructive Creations ist ein “Amoklauf-Simulator”, er verherrlicht Gewalt und Mord. Creative Director Jaroslaw Zielinski will dem Spieler mit Hatred ein “sündiges Vergnügen” bereiten. Trotzdem hat das polnische Studio kurzerhand den Verkauf in Deutschland und Australien gestoppt. Woher der Aufschrei kommt und ob Hatred mehr bietet, als nur eine plumpe Gewaltorgie – das erfahrt ihr im Test.

Hatred 1

In vielen Medien ist Gewalt ein zentrales Element. Viele unser geliebten Spielereihen beinhalten eine mehr oder weniger explizite Gewaltdarstellung – und in einigen Bereichen wird diese Darstellung immer weiter gesteigert. Was musikalisch in der Black Metal-Szene der frühen Neunziger Jahre aufflammte und sich dann filmisch ein Jahrzehnt später in den sogenannten “Torture Porns” kristallisierte, das ist auch in Hatred bestimmend: Grundlose Gewalt. Dabei ist Hatred längst nicht das erste Videospiel, das durch extreme Gewalt auffällt: Im Jahr 2003 erlangten zwei indizierte Spiele durch ihre Gewaltdarstellung große Bekanntheit. Im ersten Spiel mussten wir uns mit Morden unsere Freiheit verdienen, im zweiten war es möglich, wehrlose Passanten anzuzünden. Was also rechtfertigt die Aufregung über Hatred?

Bei aller Gewalt versuchen die meisten Spiele zumindest irgendeine Form einer spannenden Handlung, eines bizarren Humors oder besonderer Sozialkritik zu bieten. Das fehlt Hatred komplett: Wir spielen einen namenlosen Menschenhasser, dessen einziges Ziel der Mord an möglichst vielen unschuldigen Zivilisten ist. Die nennt er dann “menschliche Schutzschilde” und “Abschaum”, von denen seine Nachbarschaft gerettet werden muss. Weitere Informationen, Motive, Hintergründe? Fehlanzeige – die würden laut Entwickler Creative Destructions auch die Atmosphäre zerstören.

Hatred 2

Verschiedene Ziele, gleicher Inhalt

In der ersten Mission von Hatred sollen wir in der Haut des namenlosen Hünen eine Nachbarschaft “säubern” – also alle Menschen im Missionsgebiet töten. Haben wir das getan und dabei vielleicht ein oder zwei Nebenmissionen geschafft, sollen wir den Tatort mal durch die Kanalisation, mal mit einem Zug verlassen. Anschließend betreten wir das nächste Gebiet – und tun exakt das Gleiche. Ja, mehr bietet Hatred nicht. In den Nebenmissionen müsst ihr verschiedene Ziele erfüllen, aber das Ergebnis bleibt immer gleich: Töte alle Menschen in diesem Hotel, diesem Hafen, diesem Einkaufszentrum. Unterschiedliche Ziele und Abwechslung im Missionsablauf sucht man in Hatred vergebens.

“Hatred versucht krampfthaft böse zu sein”

Während wir den Antagonisten samt schwammiger Steuerung durch Vororte, einen Yachthafen und einen fahrenden Zug steuern, schießen wir auf alles, was sich bewegt. Immer wieder stößt der namenlose Killer dabei klischeehafte Ausrufe hervor: “Darf ich vorstellen? Ich bin ein Mann voll Hass und Abscheu” – das klingt wie eine humorlose Version von Duke Nukem. Ein schablonenhafter Killer, flehende Opfer und zynische Kommentare? Hatred versucht krampfhaft böse zu sein – und entbehrt sich damit jeglicher spielerischer Tiefe.

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Mord in Schwarz-Weiß

Dabei hat sich das polnische Studio doch bemüht, eine düstere Atmosphäre zu erzeugen. Zu diesem Zweck haben sie das komplette Spiel in eine Schwarz-Weiß-Optik getaucht. Explosionen und Blut bilden einen Kontrast zum düsteren Look. Die spärlich eingerichteten Gebäude können dabei immerhin größtenteils mit verschiedenen Waffen zerstört werden. Neben eingeschossenen Fenstern und zerbrochenen Türen können auch ganze Häuserwände mit Explosionen zerstört werden. Dafür stehen uns neben Pistolen und Schrotflinten auch Maschinengewehre und Sprengstoffe zur Verfügung.

Unser unfreiwilliger Amoklauf wird dabei von einem basslastigen Soundtrack unterlegt – der soll das düstere Geschehen noch weiter verfinstern. Hier und da wird eine Saite gezupft, dort brummt mal der Bass – letztlich ist die musikalische Untermalung ebenso überraschungslos wie die Kommentare, die darüber gesprochen werden.

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Bugs, Macken und Schießbudenfiguren

Auch vor zahlreichen Bugs und technischen Macken kann sich Hatred nicht retten. Das fängt damit an, dass Entwickler Destructive Creations Probleme mit ATI-Grafikkarten zugibt – und zwar mit allen. Auch in Windows 7 mit Service Pack 1 möchte Hatred nicht starten. Destructive Creations bittet um ein paar Wochen Geduld – sie seien schließlich nur ein kleines Studio.

Davon abgesehen nerven zahlreiche Bugs: Wir bleiben an Ecken hängen, stecken zwischen den Möbeln fest und werden von so weit entfernten Gegnern beschossen, dass wir sie nicht einmal sehen können. Viel zu oft werden wir unverschuldet von Polizisten und bewaffneten Bürgern über den Haufen geschossen. Haben wir in den Nebenmissionen keine Respawns verdient, dürfen wir das Level anschließend von vorne beginnen. Blöd nur, dass die Nebenmissionen die gleichen Probleme haben.

Das merkwürdige Verhalten der Passanten tut sein Übriges: Kaum eröffnen wir das Feuer, ergreifen die Menschen die Flucht. Dabei verlässt sie aber schnell die Motivation: Nach wenigen Metern bleiben sie stehen und lassen sich erschießen. Letztlich stellt Hatred dem Spieler also nur ein paar Schießbudenfiguren entgegen.

Unser Fazit:
Hatred bringt Videospiele als Unterhaltungs- und Kunstmedium keinen Schritt weiter. Mit Hatred wollte das polnische Entwicklerstudio vom guten Helden abrücken und den Spieler in die Haut eines “richtig üblen Kerls” schlüpfen lassen. Weil das polnische Studio dabei aber auf jegliche Form von Hintergrundgeschichte und Motiven verzichtet, rutscht Hatred in die dramaturgische Leere. Auch ein eintöniges Gameplay, das immer gleiche Missionsdesign und zahlreiche technische Macken können nicht von der fragwürdigen Grundlage des Spiels ablenken. Hier ist weder spielerisch, noch erzählerisch ein lohnenswerter Twinstick-Shooter erschienen. Hatred zieht seine gesamte Aufmerksamkeit aus dem Medienecho, das es seit der Ankündigung im letzten Jahr auslöst.

Aufgrund der besonderen Stellung von Hatred in Presse und Community haben wir auf eine Punktwertung verzichtet.

Ein Kommentar

Antworten
  1. Toller Artikel! Ich hatte schon erwartet, dass Hatred nicht so der Knaller wird.
    Ich wüsste jetzt jedoch nicht wo man Hatred kaufen kann…weder bei Steam noch bei GOG etc kann man den Titel kaufen. Nur über eine VPN-Aktivierung soweit ich weiß.
    Habt Ihr da andere Infos für mich? Würde das Spiel gerne mal antesten.

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