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Deus Ex: Mankind Divided im Test – Hin- und hergerissen

Deus Ex trifft genau meinen Nerv. Das dystopische Zukunftsszenario, das variable Gameplay zwischen Stealth und Action und eine ethische Diskussion, die samt aktueller Entwicklung in der gesamten Story mitschwingt. Der Release von Deus Ex: Human Revolution ist nun schon 5 Jahre her – eine halbe Ewigkeit. Entsprechend fiebernd und erwartungsvoll fielen meine Erwartungen für Deus Ex: Mankind Divided aus. Ob der neue Titel die Spielerschaft entzweit oder das bewährte Gameplay mit frischen Inhalten aufpoliert, das erfahrt ihr im Folgenden.

Eine Zukunft voller roboterähnlicher Menschen ist nicht unwahrscheinlich. Das sagt auch Raymond Kurzweil, Head of Engineering bei Google. Kurzweil ist Transhumanist, also Anhänger einer Schule, die theoretisch und praktisch die Verschmelzung von Mensch und Maschine fordert. Und schon in den nächsten Jahren prognostiziert Kurzweil drastische Änderungen in der künstlichen Intelligenz – die uns schon bald überholen soll.

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So eine Zukunft liefert uns auch Deus Ex: Mankind Divided – samt aller sozialer Spannungen. Wieder spielen wir Adam Jensen, unfreiwillig augmentierter, ehemaliger Sicherheitsmann bei Sarif Industries, nun irgendwas zwischen Ruhestands-Techno und Hacker-Aktivist. Die Gesellschaft von Deus Ex: Mankind Divided ist eine geteilte – nämlich zwischen Augmentierten (“Augs”) und sogenannten Naturals, also Nicht-Augmentierten. Ganz im Stile der 60er Jahre-USA fahren die Augs mit anderen Zügen, benutzen eigene Eingänge und werden von der Polizei drangsaliert. Mittendrin: Adam Jensen und das aus “Hacktivisten” bestehende Juggernaut-Kollektiv, das – ähnlich hochtrabend wie im Vorgänger – die wahren Powerbroker, die großen Unternehmen und sogar die Illuminati aufdecken und ausschalten will.

Die Story von Mankind Divided ist serientypisch unheimlich politisch gehalten. Vor der Kulisse des durch die Vorfälle von Human Revolution enorm verschärften Misstrauens gegen alle Formen der Augmentierung spinnt Mankind Divided die Handlung um Adam Jensen weiter. Der findet nämlich im Zuge einer Reparatur ziemlich kräftige Augmentierungen in sich, die bis dahin versteckt geblieben sind und deren Urheber voerst unbekannt bleibt. Insgesamt ist die Story von Deus Ex: Mankind Divided zwar politisch hochtrabend und intrigengespickt inszeniert, sie macht aber an keiner Stelle so wirklich den Sack zu – und spielt auch gar nicht die Hauptrolle in Mankind Divided. Viel interessanter ist die Welt, die Eidos Montreal in Mankind Divided inszeniert, samt ihrer sozialen Spannungen und eindringlichen Details. Die verschiedenen Zugänge zu öffentlichen Einrichtungen – für Augs und Naturals – sind beispielsweise als solche gekennzeichnet. Nutzen wir einen Zug für Naturals, so beäugen uns nicht nur die anderen Fahrgäste sehr nervös, auch die Polizisten weisen uns vehement auf unseren Fehler hin. Die Detailtreue und die daraus entstehende Atmosphäre ist der wahre Star von Deus Ex: Mankind Divided.

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Mit den versteckten Augmentationen eröffnet Mankind Divided einigermaßen ungelenk ein gravierendes neues Gameplay-Feature: Nämlich den Energiehaushalt. Wenn wir einige der experimentellen Augmentierungen aktivieren, erhitzt sich unser Körper – bis zur Gefahr der Kernschmelze. Da Adam aber ziemlich an seinem Körper hängt, soll das nicht passieren – und wir müssen im Gegenzug andere Augs deaktivieren.

Zugegeben: Das ist ein ziemlich schlapper Weg, neue Augmentierungen ins Spiel einzuführen. Die Art und Weise, wie diese neuen Verbesserungen das Spiel beeinflussen, sind dafür umso spannender. Wieder können wir uns entscheiden, ob wir unseren Techno lieber als schießwütigen Rambo mit dicker Haut und Blitzreflexen ausstatten oder ihn ganz im Stile eines Watch Dogs aus der Ferne Fernseher, Autos, Türen und Computer hacken lassen. Im Gegensatz zum Vorgänger sind die rabiaten Alternativen zum Schleichen nicht die Ultima Ratio, sondern sogar echt spannend. Die Schussgefechte machen Spaß und die neuen Augmentationen bringen frischen Wind aufs Schlachtfeld. Auch die Möglichkeit, uns zu unserem Ziel durchzuquatschen, besteht wieder.

Das zeigt sich bereits eindrucksvoll in einer frühen Mission, in der wie Aug-Experten Václav Koller in seiner Werkstatt besuchen sollen – die leider von Söldnern belagert wird. Unser Weg zu Koller ist ganz uns überlassen. Natürlich können wir uns unseren Weg freischießen, alle Söldner umlegen und dabei eine erhebliche Menge von an dieser Stelle raren Ressourcen – buchstäblich – verballern. Ein paar Meter weiter steht auch ein Polizist, den wir zum Durchlass überreden oder bestechen können. Ganz ausgefuchste Spieler erwartet ein Schleichweg, den wir über verschiedene Sprungpassagen hinweg erreichen und so die Werkstatt von Koller erreichen können. Genau diese, in Mankind Divided nun weiter verfeinerte, Entscheidungsfreiheit macht Deus Ex wirklich aus.

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Auf audiovisueller Ebene weiß Mankind Divided ebenfalls zu überzeugen. Rundum ist Mankind Divided grafisch gut gelungen, die Gesichtsanimationen sind sowohl abwechslungsreich, als auch ausdrucksvoll und der futuristisch angehauchte Soundtrack passt erneut perfekt. Leider weißt die von uns getestete PC-Version auf rein technischer Ebene erhebliche Probleme auf. Die Ladezeiten zwischen den erneut Hub-ähnlichen Spielabschnitten dauern bisweilen ewig und zwingen uns zu kurzen Spielpausen. Innerhalb der dann erreichten Gebiete treten große FPS-Einbrüche auf, die das Spielerlebnis erheblich schmälern. Entwickler Eidos Montreal verspricht Patches und Fixes, die bisher auf sich warten lassen. Auf technischer Seite hinterlässt Deus Ex: Mankind Divided also gemischte Gefühle.

Das machen die Mikrotransaktionen auch nicht besser. Genau: Mikrotransaktionen. Das Unwort des Jahres des letzten Jahrzehnts findet auch in Mankind Divided sein Revival. Gegen Echtgeld dürfen wir uns Praxiskits und Ingame-Credits kaufen. Dazu gibt es wieder die obligatorische Aussage des Entwicklers, man müssen sie ja nicht kaufen – sie würden nur das Glück etwas in unsere Richtung wehen. Leider sind die Mikrotransaktionen auf keinen Fall bloß kosmetischer Natur und stellen einen erheblichen Boost für den Singleplayer von Mankind Divided dar. Eine echte Frechheit: Vorbesteller-Boni können nur für einen Spielstand verwendet werden, anschließend verschwinden sie aus dem Spiel.

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Die Mikrotransaktionen weiten sich auch auf den neuen Spielmodus “Breach” aus. Breach ist ein Hacking-Minigame mit progressiver Charakterentwicklung, in dem wir wie in einem Speedrun möglichst schnell eine gewisse Menge Daten abgreifen und danach fliehen müssen. Insgesamt eine nette Dreingabe, die aber leider dermaßen mit Mikrotransaktionen gespickt ist, dass sie jeglichen Reiz verliert. Im Jahr 2016 so offensichtliche, nicht-kosmetische Items in einen AAA-Titel einzubauen – das musste wirklich nicht sein.

Unser Fazit:
Deus Ex: Mankind Divided ist wirklich ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite ist es ein mitreißendes Erlebnis. Dank der eindringlichen Atmosphäre, der überzeugenden sozialen Spannungen, der kleinen aber wichtigen Details, dem tollen Soundtrack und dem unverändert spaßigen Gameplay ist Deus Ex: Mankind Divided wirklich ein Spaß. Erhebliche technische Probleme und merkwürdige Entscheidungen über Mikrotransaktionen sind riesige Mankos an diesem sonst überzeugenden Spiel. Es ist beinahe, als hätten zwei völlig getrennte Teams gleichzeitig an Mankind Divided gearbeitet und zu 50% falsche Entscheidungen getroffen.

Wer darüber hinwegsehen kann und Fan von der Reihe, dystopischen Szenarien und abwechslungsreichem Gameplay ist, der muss zuschlagen!

Wertung: (3.5 / 5.0)
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