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Assassin’s Creed: Odyssey im Test – Viel Neues, mehr Altes

Neues Jahr, neues Assassin’s Creed: Was ursprünglich hämisch über die Regelmäßgkeit eines neuen Assassin’s Creed-Ablegers gesagt wurde, hat sich inzwischen zu einem genauso sicheren, wie erschöpften Ausruf entwickelt. Denn neu war eine ganze Zeit lang recht wenig an den neuen Abenteuern der Assassinen – die gleiche Engine, übersättigte Mechaniken und Protagonisten im Recycling-Programm. Erst Assassin’s Creed: Origins hat mit dem Bann gebrochen und ein frisches, spannendes Erlebnis in der ägyptischen Antike präsentiert. Nun schickt uns Assassin’s Creed: Odyssey in das antike Griechenland und erlaubt uns erstmalig die Wahl zwischen weiblichem und männlichem Protagonisten. Welche alten Fehler Assassin’s Creed: Odyssey wiederholt und welche Risiken es eingeht, das klärt der Test.

Es ist das Jahr 480 vor Christus. Dreihundert gut gerüstete Hopliten aus Sparta stehen Schulter an Schulter in einem etwa 15 Meter breitem Felsdurchgang und blicken einem persischen Heer von etwa 50.000 Soldaten unter der Führung von König Xerxes gegenüber. Die Schlacht bei den Thermopylen hat bereits der Kinofilm “300” ikonisch verwertet und auch Assassin’s Creed: Odyssey schickt uns für das Tutorial in die Schlacht. Hier merken wir bereits: Das Kampfsystem von Assassin’s Creed: Odyssey ist ein ganzes Stück umfangreicher und dennoch übersichtlicher geworden. Unsere Fähigkeiten, neben den üblichen leichten und schweren Angriffen, Meuchelmorden und Pfeilschüssen, sind in Nah- und Fernkampf unterteilt. So können wir sehr einfach auf Fähigkeiten wie einen kräftigen Tritt (“300” lässt grüßen!), einen Ansturm mit anschließendem Angriff oder besonders starken Bogenschüssen zugreifen. Die Fähigkeiten, die sich aus drei Talentbäumen zusammensetzen, lassen sich jederzeit zurücksetzen, konfigurieren und stetig verbessern. Hier hat Ubisoft aus dem etwas wirren Talentsystem von Origins gelernt, die Skills strammgezogen und durch sinnvolle Fähigkeiten wie passive Boosts, Mehrfachschüsse oder einen Speerwurf ersetzt. Das macht Kämpfe nicht nur sehr dynamisch, sondern auch motivierend, da mit jedem Levelaufstieg neue sinnvolle und spaßige Skills dazukommen.

Aber in wessen Haut schlüpfen wir in Assassin’s Creed: Odyssey eigentlich? Das ist dem Spieler zum ersten Mal in der Geschichte der Reihe zu einem Teil selbst überlassen. Wir dürfen uns am Beginn des Spiels nämlich entscheiden, ob wir einen weiblichen oder männlichen Protagonisten – Kassandra oder Alexios – spielen möchten. Die Geschichte, die Spielmechaniken und der Großteil der Dialoge sind in beiden Fällen identisch. Das macht die – ausschließlich kosmetische – Wahl zwar einerseits leichter, dennoch hätten wir uns ein paar Unterschiede gewünscht, die der jeweiligen Entscheidung etwas mehr Würze verleiht. So oder so starten wir als Söldner auf der Insel Kephallonia. Wir müssen uns mit Gelegenheitsjobs durchkämpfen und unseren Freunden Phoebe und Markos aushelfen. Die Geschichte ist zwar charmant und leicht erzählt, kommt aber anfangs nur langsam ins Rollen. Nach ungefähr 4-5 Stunden erleben wir die ersten Aha-Effekte – von dort an kann man sich aber nicht mehr losreißen. Asssassin’s Creed: Odyssey hat nämlich auch an dieser Stelle von vorherigen Fehlern gelernt und die Quests kurzweiliger gestaltet. Die waren in Origins nämlich stellenweise sehr lang – samt noch längere Laufwege. Laufwege gekürzt, große Quests in Quest-Reihen unterteilt und zack – sowohl Main-, als auch Side-Quests machen in Assassin’s Creed: Odyssey so richtig Spaß und sind abwechslungsreich.

Assassin’s Creed: Odyssey gibt dem Spieler ungewöhnlich viele Entscheidungsfreiheiten, wie er sich in Dialogen verhalten möchte. Das hat Auswirkungen auf spätere Ereignisse. In einer Nebenquest müssen wir entscheiden, wie wir mit von einer Krankheit infizierten Gruppe Zivilisten umgehen möchten. Entscheiden wir uns, sie umzubringen, wird das Auswirkungen auf ein späteres Gespräch der Mainquest haben. Das Spektrum der Haupt- und Nebengeschichten reicht von düster und ernst bis leicht und herzlich. Leider entfernt sich die gesamte Geschichte immer weiter vom Kern der Reihe: Abstergo, die Templer und die Assassinen. Während wir besonders in den ersten Teilen der Reihe noch das Gefühl hatten, wirklich die Geschichte von Altair, Ezio & Co zu erleben, so fühlt sich Assassin’s Creed: Odyssey mehr wie ein normales Open World-Spiel mit eingeschobenen Sequenzen in der “heutigen” Zeit an. Gerne darf die Reihe hier wieder zu seinem Ursprung zurückkehren.

Assassin’s Creed: Odyssey nutzt viele altbekannte Mechaniken, die sich sehr verbraucht anfühlen. Nach wie vor müssen wir Türme erklimmen, um Kartenteile aufzudecken und Schnellreise-Funktionen freizuschalten. Genauso wurde das Schiffssystem aus Assassin’s Creed 4: Black Flag übernommen, mit dem wir unser Schiff mit neuen Waffen oder einer neuen Besatzung ausstatten können. Auch der bekannte Adler aus Origins feiert als Ikaros ein Comeback und lässt uns so Gegner und Ziele aus der Luft erspähen. Hier hat sich Assassin’s Creed: Odyssey das beste zusammengesucht, ohne viel Neu zu machen. An anderer Stelle wurde aber eine große Neuerung eingeführt: der Entdeckungsmodus. Wer erinnert sich noch an frühere Zeiten, in denen man in Spielen wie Morrowind oder Gothic ganz ohne Questmarker nur anhand von Texten und Hinweisen das Ziel finden musste? Wer das mochte, darf sich auf Assassin’s Creed: Odyssey freuen. Wahlweise darf man eben jenen Entdeckungsmodus auswählen und muss sich dann anhand von Quest-Texten in der Spielwelt orientieren und das Ziel selbst finden. Das ist schön immersiv, atmosphärisch und macht Spaß – uns war es aber etwas zu aufwendig, das bei jeder kleinen Quest zu machen. Aber eine super Entscheidung, das jedem Spieler offen zu lassen!

Man merkt Assassin’s Creed: Odyssey zwar seine seit vier Jahren benutzte AnvilNext-Engine an – besonders in der Kantenglättung und in den Auflösungen der Texturen ist die Engine gealtert –, nichtsdestotrotz ist Assassin’s Creed: Odyssey ein stimmiges und hübsches Spiel. Vor allem die Umgebungen Griechenlands samt passender musikalischer Untermalung im griechischen Stil wissen zu überzeugen. Bunte Tempel, belebte Städte, die stürmische See und gefährliche Wildnis – es lohnt sich, einfach stehen zu bleiben, sich umzusehen, zu staunen oder loszuziehen und die Gegend zu erkunden. Und wer besonders schöne Ecken entdeckt, darf mit dem vorhandenen Screenshot-Modus einige Schnappschüsse machen. Der funktioniert zum größten Teil gut, leider gibt es aber zu wenig Anpassungsoptionen, die wir von Spielen wie Spider-Man, God of War oder Horizon: Zero Dawn gewohnt sind.

Das größte Manko an Assassin’s Creed: Odyssey ist und bleiben aber die Mikrotransaktionen. Man sollte meinen, dass Entwickler die Kritik zu Herzen genommen hätten, aber Ubisoft treibt das Spiel noch ein Stückchen weiter. Neben allerhand kosmetischer Items gibt es die Rubrik “Zeitersparnisse”, in der wir uns – gegen Echtgeld – Ingame-Items wie Materialien oder Geld oder sogar einen permanenten (!) Erfahrungsboost für alle Spielstände kaufen können. Das hätte nicht sein müssen.

Unser Fazit:
Assassin’s Creed: Odyssey ist kein frischer Start für die Reihe. Es ist dafür aber ein sehr spaßiges Open-World-Spiel, das sogar hartgesottene Main-Quest-Spieler in Sidequests versinken lässt. Assassin’s Creed: Odyssey nimmt sich die besten Features der Vorgänger und bastelt ein atmosphärisches Abenteuer im antiken Griechenland, voller harter Entscheidungen, bemerkenswerter Charaktere und einem dynamischen Kampfsystem. Dennoch hätte Ubisoft ein paar neue Ideen einfließen und sich dramaturgisch am ursprünglichen Reiz der Reihe orientieren können. Aber dennoch: Assassin’s Creed: Odyssey macht richtig Spaß. Trotz der fiesen Mikrotransaktionen.

Fans der Reihe dürfen ohne Bedenken zuschlagen. Ubisoft führt die Reihe konsequent fort – wenn auch mit Abstrichen. Diejenigen, denen die gewohnten Mechaniken schon vorher zu viel waren, werden auch mit Assassin’s Creed: Odyssey nicht besonders glücklich. Ich werde auf jeden Fall noch einige weitere Stunden Athener verkloppen.

Wertung: 4.1 out of 5 stars (4,1 / 5)

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