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Far Cry New Dawn im Test – Mad Max trifft Farbbombe

Seit dem 15. Februar ist Far Cry New Dawn als Quasi-Sequel zu Far Cry 5 auf dem Markt. Nach einer atomaren Explosion am Ende von Far Cry 5 knüpft New Dawn zumindest an dieser Stelle nahtlos an seinen Vorgänger an. Insgesamt ist Far Cry New Dawn aber kein so richtig neuer Ableger – auch, wenn er sich beste Mühe gibt herauszustechen. Warum das so ist, klärt der Test.

It’s the End of the World as we know it – and I feel fine. Was schon die amerikanische Rockband R.E.M. in den späten 80ern sang, das passt auch sehr gut zu Far Cry New Dawn. Nachdem am Ende von Far Cry 5 eine Atombombe die Welt in den Abgrund gerissen hat, erwartet uns in New Dawn die postapokalyptische Endzeit. Die fällt aber insgesamt nicht annähernd so düster aus, wie wir es von Titeln wie Metro Exodus oder Fallout 4 kennen. Weit und breit finden wir keine verstrahlten Ruinen oder Kannibalenkulte. Ganz im Gegenteil: Die Welt von Far Cry New Dawn ist bunt. Die Natur hat sich von dem Atomschlag erholt und erblüht in Grün und Rosa und ist bevölkert von Bären und Hirschen mit rosa Geweih.

Ubisoft schlägt mit Far Cry New Dawn eine bewusst überspitzte Richtung ein, die wir in anderer Form aus Far Cry 3: Blood Dragon kennen. New Dawn ist an dieser Stelle ebenfalls ein inhaltlich gekürztes Quasi-Sequel zu Far Cry 5, mit dem sich Entwickler Ubisoft Montreal ausprobieren kann. Mad Max trifft auf Farbexplosion, klassisches Shooter-Gameplay auf abgefahrene Waffen wie dem Sägeblattwerfer – inklusive Smiley-Gesicht auf den fetzenden Sägeblättern.

In Far Cry New Dawn schlüpfen wir in die Haut des namenlosen “Cap”. Wir sind der Sicherheitschef einer Hilfsorganisation, die nach dem atomaren Fallout beim Wiederaufbau der Gesellschaft hilft. Diese Aufgabe verschlägt uns auch in das Gebiet aus Far Cry 5, Hope County. Leider werden wir auf dem Weg zu unserem nächsten Ziel in Hope County, dem Prosperity-Outpost, von den “Zwillingen” und ihrer Gang, den Highwaymen, überfallen – den Antagonisten in New Dawn. Die töten kurzerhand unser gesamtes Team, nehmen den Anführer Thomas Rush gefangen und lassen uns auf der Flucht zurück. Nun ist es an uns, den Outpost aufzubauen. Dazu müssen wir Spezialisten anheuern, Rohstoffe sammeln und unsere Basis aufwerten. Letzteres können wir beispielsweise in Form einer verbesserten Werkbank tun, die uns Zugriff auf neue Waffen bietet. So können wir stärkere Varianten unseres Sturmgewehrs oder des Sägeblattwerfers herstellen. Ebenso können wir unseren Helikopter aufmotzen und so von der Basis aus Expeditionen, beispielsweise nach Alcatraz oder zu einer verlassenen Weltraumkapsel, starten, um wichtige Rohstoffe zu sammeln – diese Nebenmissionen bieten unterhaltsame Abwechslungen. Wenn wir die Rohstoffe eingesammelt haben und uns alle Bösewichte vor Ort schießend zum Helikopter verfolgen, dann ist Spannung garantiert.

Die Geschichte von Far Cry New Dawn ist insgesamt aber nichts besonderes und in seinem Gerüst bereits aus Vorgängern bekannt: fremder Held rettet fremdes Land und verzieht sich wieder. Ubisoft recycelt in der Far Cry-Reihe einfach zu viele mechanische und erzählerische Komponenten, um überhaupt noch Überraschungen abliefern zu können – und das gilt auch für Far Cry New Dawn. Die typische Formel ist in puncto Gameplay auch 2019 unverändert: Wir sammeln Rohstoffe von Tieren und Gegnern, um Waffen und Fahrzeuge zu bauen, nehmen damit dann Außenposten ein und verwenden die erhaltenen Erfahrungspunkte für Upgrades unserer namen- und charakterlosen Spielfigur. Diese Upgrades reichen von normalen Vorteilen, wie mehreren Waffenslots oder einem verbesserten Lungenvolumen, bis zu absurden Upgrades wie einem Doppelsprung. Zusätzlich zum altbekannten Gameplay recycelt Ubisoft auch die Karte von Far Cry 5. Das wäre an sich nicht schlimm, würde sie nicht durch den abflauenden nuklearen Fallout wieder sehr an das Original erinnern und somit wenig Neues bieten. Die Überraschung bleibt hier also aus. Das ist vor allem vor dem Hintergrund pikant, dass bereits die Map von Far Cry 4 in Far Cry Primal komplett übernommen wurde. Das Recycling nimmt definitiv überhand.

Nichtsdestotrotz sei gesagt, dass die Open World-Formel dennoch für viel Spaß sorgen kann. Eine große, zwar leere, aber dennoch schön inszenierte Spielwelt, mit vielen Nebenmissionen, Gefängnisbussen und Supply-Drops, coolen Gadgets wie einem Wingsuit oder Helikoptern und legendären Gegnern wie mutierten Bären kann ordentlich Spaß machen. Man darf halt nur keine große Abwechslung zur bisherigen Reihe erwarten. Mit einer Spielzeit von etwa 8 Stunden für die Main-Story fällt New Dawn auch vergleichsweise kurz aus. Auch die Nebenmissionen haben durch eine wirklich dünne Hintergrundgeschichte unseres Protagonisten einen Beigeschmack von “Wofür das alles?”. Dadurch, dass wir wenig bis gar nichts Gehaltvolles über uns selbst wissen, fehlt wirkliche Motivation und Spannung für den Rest der Geschichte, die in einem wenig beeindruckenden Bossfight endet.

Auf technischer Ebene sind uns in Far Cry New Dawn keine nennenswerten Probleme aufgefallen. New Dawn sieht gut aus, hat eine schön gestaltete Spielwelt und eine zum rebellischen Look der Highwaymen passende, musikalische Untermalung. An vielen Stellen darf man stehen bleiben und über die bunten Wälder, die ansehnlichen Lichteffekte und kleine Details wie Nordlichter staunen. Grafisch muss sich Far Cry New Dawn nicht verstecken, auch wenn die Engine der Reihe so langsam aber sicher in die Jahre kommt. Ansonsten ist Far Cry New Dawn aber technisch einwandfrei.

Unser Fazit:

Far Cry New Dawn ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits macht die offene Welt und das abgefahrene Design an vielen Stellen verdammt Spaß, andererseits immer mit dem Beigeschmack von aufgewärmter Suppe – das kennen wir alles schon. Eine bekannte Map, Mechaniken in Recycling-Schleife: Ubisoft muss mit Far Cry unbedingt neue Wege einschlagen und da hilft auch nicht bloß der abgefahrene Style eines New Dawn. Die Mechaniken müssen aufgebessert, modernisiert und überdacht werden. Assassin’s Creed hat am gleichen Problem gekrankt und es mit den letzten beiden Ablegern doch auch gelöst – bitte Ubisoft, nun ist Far Cry an der Reihe!

Für Fans der Vorgänger und für diejenigen, die nicht zu viel erwarten, ist Far Cry New Dawn ein gestalterisch aufregender, aber spielerisch durchschnittlicher Open World-Shooter. Angesichts des standardmäßig gesenkten Preises darf in dem Fall also zugeschlagen werden.

Wertung: 3.4 out of 5 stars (3,4 / 5)

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