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Ghost of Tsushima im Test – Ein grandioser Ausflug ins feudale Japan

Seit dem 17. Juli steht Ghost of Tsushima endlich in den Händlerregalen. Das von vielen PS4-Fans sehnlich erwartete Samurai-Epos des Studios Sucker Punch zündet kurz vor Ende der Konsolengeneration ein echtes Feuerwerk ab. Was Ghost of Tsushima so kann und warum es Altbekanntes und Neues so perfekt vereint, das klärt der Test.

Es ist das Jahr 1274 auf der japanischen Insel Tsushima. Eine mongolische Invasionsarmee stürmt die Insel und liefert sich eine brutale Schlacht mit zahlenmäßig weit unterlegenen Samurai. Von den tapfer kämpfenden Samurai überlebt fast niemand – nur Jin Sakai, der Anführer des Sakai-Clans, und sein Onkel Fürst Shimura. Der Fürst wird von den Mongolen gefangengenommen und so obliegt es seinem Neffen Jin, einen Befreiungsversuch zu starten. Dafür braucht er die Hilfe zahlreicher Weggefährten und der Einwohner Tsushimas, um seinen Onkel und letztendlich auch die ganze Insel vor den Mongolen zu retten. Die folgende Haupthandlung unterhält für 20-30 Spielstunden und fällt insgesamt sehr hochwertig aus.

Manch einer mag die Geschichte von Ghost of Tsushima aber ziemlich kitschig finden. Der einsame, ewig gute Samurai versucht seinen Onkel und sein edles Volk vor den bösen mongolischen Barbaren zu retten. Ein Stück weit stimmt das auch: Es wird viel von Ehre, Disziplin und Treue gesprochen. Dieses Schwarz-Weiß-Muster vom edlen Samurai, der gegen die brutale Invasionshorde aufbegehrt, schafft es aber auch, die Handlung von Ghost of Tsushima ziemlich authentisch zu machen. Der moralische Zwiespalt, in dem sich Protagonist Jin befindet, ist nur allzu menschlich. Schnell muss er sich mit heimtückischen Attentaten gegen die Mongolen wehren – und damit gegen den Bushido-Kodex verstoßen, der uns in Rückblenden erklärt wird. Der Kodex befiehlt ehrenhafte Kämpfe von Auge zu Auge, Angriffe aus dem Schatten sind verpöhnt. Mit seinem Verhalten trifft Jin bei vielen Figuren auf Ablehnung. Dieser innerliche Kampf verleiht der Figur Jin zusätzliche Tiefe.

Generell sind die verschiedenen Figuren eine der größten Stärken von Ghost of Tsushima. Die verschiedenen alten und neuen Weggefährten, wie sein Onkel Shimura, der verschrobene Sensei Ishikawa oder die charismatische Diebin Yuna erhalten allesamt ordentlich Hintergrundgeschichte. Zu jeder Figur gibt es eine mehrteilige Missionsreihe, die wir erledigen müssen, bevor wir auf ihre Hilfe gegen die Mongolen zählen können. Für den Bogenmeister Ishikawa begeben wir uns beispielsweise auf die Suche nach seiner Schülerin, die sich den Mongolen angeschlossen hat und nun fürchterliche Kriegsverbrechen begeht. Alles in allem sind alle Figuren samt Geschichte und Motivationen toll geschrieben und werten die Handlung von Ghost of Tsushima gewaltig auf. Super!

Keine Langeweile auf der Insel Tsushima

Die zahlreichen Haupt- und Nebenmissionen sind in einer großen Open World verteilt, die die gesamte Insel Tsushima abdeckt. Und Ghost of Tsushima macht Open World richtig: Alle Aktivitäten fühlen sich wertig und nicht bloß wie ein Punkt auf einer großen To-do-Liste an. Ob wir nun die Hauptgeschichte verfolgen, die Hintergründe der Nebenfiguren ergründen, besetzte Städte von Mongolen befreien oder einfach nur Blumen als Währung für unser nächstes Outfit sammeln – alles davon fühlt sich wie ein Fortschritt an und macht ordentlich Spaß.

Die Insel Tsushima ist dazu sehr schön gestaltet und mit Sicherheit eine der schönsten Welten der Konsolengeneration. Die Suche nach dem nächsten Fragenzeichen auf der Karte führt uns durch wilde Flüsse und idyllische Wälder. Ein besonderes Highlight ist beispielsweise der “Golden Temple”, der in einem dichten Wald aus bräunlich-goldenen Bäumen steht, von denen sanft die Blätter rieseln. Allzu oft bleibt man stehen und bestaunt die Natur von Ghost of Tsushima.

So einen Fotomodus sieht man selten

Dann lädt auch der absolut geniale Fotomodus zu einem Shooting ein. Dieser Fotomodus übertrumpft mit seinem Umfang sämtliche Varianten anderer Titel. Auf Knopfdruck springen wir jederzeit in das Einstellungsmenü, in dem wir zahlreiche bekannte Variablen wie Fokus, Belichtung oder Ausrichtung der Kamera einstellen können. Zusätzlich dazu können wir aber auch die Tageszeit, das Wetter, Windrichtung und -stärke einstellen, Partikel wie Blätter und Vögel durch das Bild sausen lassen oder den Gesichtsausdruck von Jin verändern. Einen so umfangreichen Fotomodus sehen wir selten und man darf gespannt sein, was die Community so für Schnappschüsse abliefert.

Um die Erkundung der Insel etwas angenehmer zu machen, baute Sucker Punch einige erleichternde Features in Ghost of Tsushima ein. So können wir ohne Einschränkungen zu bereits entdeckten Orten schnellreisen oder uns von der Windrichtung den Ort des nächsten Collectibles anzeigen lassen. Solche Features, die in Spielen wie Assassin’s Creed eher für ein lautes Gähnen sorgen, machen die Entdeckung der Insel selbst für mich als Feind von Sammelaufgaben spannend – das hat man auch nicht oft.

Das wahre Highlight ist das Kampfsystem

Das wirkliche Highlight in Ghost of Tsushima ist – wer hätte es in einem Samurai-Spiel auch anders erwartet – das Kampfsystem. Als gestandener Krieger kämpft Jin mit Katana, dem dolchähnlichen Tanto, einem Bogen und sogenannten Schattenwaffen wie Wurfmessern, die unsere Gegner aus der Balance bringen. Die Grundlagen sind einfach: Wir haben leichte und schwere Angriffe, können Gegnern ausweichen, ihre Angriffe blocken und parieren, ihre Deckung brechen. Die Komplexität gewinnt Ghost of Tsushima aber durch die Vielzahl an verschiedenen Gegner, denen wir unterschiedlich zu Leibe rücken. Die Kämpfe werden vor allem dann schwer, wenn viele verschiedene Gegnertypen zusammenkommen. Speerkämpfern müssen wir zum Beispiel vor jedem Schlag ausweichen, Soldaten mit Schild müssen zuerst mit schweren Angriffen aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Wenn ein Hüne seinen Kriegshammer nach uns schwingt, müssen wir uns auf eine Kette von Angriffen einstellen. Gerne greifen auch Bogenschützen aus der Ferne an und deuten die Angriffe nur durch die Aufforderung an ihre Kameraden an, sich vor den kommenden Pfeilen zu ducken – ein schönes Detail!

Wir können unachtsame Gegner auch zu Showdowns herausfordern. Dann stehen wir unserem Feind auf Augenhöhe gegenüber und müssen seinen Angriff abwarten – nur um ganz filmreif zu kontern und einen tödlichen Schnitt zu setzen. Besonders cool: Haben wir die weiteren Fähigkeiten erlernt, können wir an den Showdown auch weitere Angriffe auf zusätzliche Gegner anhängen. So kommen ziemlich eindrucksvolle Kombos zustande! Um Jin noch stärker zu machen, können wir neue Kombos oder einen Zeitlupen-Modus beim Zielen mit dem Bogen erlernen. Im weiteren Spielverlauf erlernen wir auch neue Kampfhaltungen, die den Kampf gegen bestimmte Gegnertypen leichter machen. Mit der rasanten Wasserhaltung kommen wir beispielsweise den langsamen mongolischen Schildträgern bei. Insgesamt mischt Ghost of Tsushima gekonnt bewährte Mechaniken aus anderen Spielen mit innovativen Features. So kommt ein abwechslungsreiches Ergebnis mit einzigartigen und fordernden Kämpfen heraus.

Technisch läuft Ghost of Tsushima generell großartig. Die Framerate bleibt trotz Prachtgrafik und vielen Partikeleffekten flüssig und ist in unserem Test nie eingebrochen. Dazu kommt, dank abwechslungsreicher Umgebungen und tollem Charakterdesign, eine der besten Grafiken der Konsolengeneration. Lediglich die Bewegungen der NPCs wirken außerhalb der Zwischensequenzen gelegentlich sehr hölzern. Das fällt insgesamt aber wenig auf. Wer die Sprache dazu noch auf japanisch stellt und den optionalen Schwarz-Weiß-Modus aktiviert, der bekommt die volle Dröhnung Samurai-Stimmung. Man merkt, dass sich Sucker Punch sehr in der Ästhetik früherer Samurai-Fime vertieft und viel Herzblut in die Entwicklung von Ghost of Tsushima investiert hat. Sehr schön! So muss es sein.

Unser Fazit:

Ghost of Tsushima ist ein grandioses Spiel. Ehrlich gesagt flog es etwas unter meinem Radar, weil Sucker Punch in der Vergangenheit außer bei seinem Superhelden-Titel Infamous: Second Son wenig hervorgestochen ist. Mit Ghost of Tsushima liefert das US-amerikanische Studio aber ein handwerklich ausgereiftes, abwechslungsreiches und mitreißendes Samurai-Epos mit sehr wenig technischen Schwächen, dafür unfassbar vielen spielerischen und erzählerischen Stärken ab. Wer nichts gegen etwas Japan-Kitsch hat und nach einem umfangreichen Open World-Adventure sucht, der sollte sicht Ghost of Tsushima auf keinen Fall entgehen lassen.

Wertung: 4.9 out of 5 stars (4,9 / 5)

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